Vieles von dem, was der polnische Premier Kazimierz Marcinkiewicz am Donnerstag in seiner Regierungserklärung vor dem Sejm, dem Unterhaus des Parlaments in Warschau, sagte, klingt vernünftig und schlüssig: Staatsreform mit Korruptionsbekämpfung als zentralem Punkt; Bürokratieabbau und Förderung von Investitionen, auch durch Klein- und Mittelbetriebe aus den anderen EU-Ländern; Ausbau des Bildungssystems; effektivere Sozialpolitik.
Das alles könnte sogar von einer Mitte-links-Partei kommen. Und man fragt sich, warum bei solchen Prioritäten die ursprünglich geplante Koalition zwischen den Nationalkonservativen von Marcinkiewicz und der rechtsliberalen Bürgerplattform nicht zustande gekommen ist.
Die Antwort liegt in dem, was der Premier nicht im Parlament, sondern Tage zuvor andernorts gesagt hat, nämlich in Radio Maryja. Dieser nationalistisch-klerikale Privatsender, der immer wieder antisemitische Untertöne anklingen lässt (er wurde übrigens von der polnischen Bischofskonferenz schon offen gerügt), gilt als Sprachrohr der "Liga der Polnischen Familien". In einer Sondersendung buhlte Marcinkiewicz offen um die Unterstützung des Rechtsaußen-Lagers, indem er etwa ausdrücklich eine "Säuberung" des Staatsapparats ankündigte. Der Begriff galt bisher als Spezialität des Stalinismus.
Mit solchen und ähnlichen Äußerungen, etwa der Forderung des künftigen Staatspräsidenten Lech Kaczynski nach Einführung der Todesstrafe, hat sich die Regierungspartei die Unterstützung sowohl der äußersten Rechten als auch des Rabiatpopulisten Andrzej Lepper für ihr Minderheitskabinett geholt. Und sich damit erpressbar gemacht. Das bedeutet ständiges Taktieren, also Instabilität; im günstigeren Fall eine Phase der innenpolitischen Klärung, die hoffentlich möglichst kurz ist - im Interesse Polens und Europas. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.11.2005)