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Foto: APA/Techt
Traiskirchen/Wien - Die Situation in der Flüchtlings-Erstaufnahmestelle sei "völlig aus dem Ruder geraten", klagt der Traiskirchner Bürgermeister Fritz Knotzer (SP). Erstens sei das für rund 700 Menschen ausgelegte Lager mit rund 1300 Insassen zum wiederholten Mal "überfüllt", zweitens komme es auf dem Areal - "zum Glück nicht im Ort" - zunehmend zu Raufereien und gewalttätigen Szenen.

Acht Essensschichten

Gewaltträchtig etwa sei das Umfeld des Speisesaals zu Essenausgabezeiten. Der Saal könne "nur 150 Menschen aufnehmen" - um die achtfache Zahl Menschen zu verköstigen, müsse also in Schichten gegessen werden.

Nicht eben zur Besänftigung der Situation trage außerdem bei, dass besonders viele allein geflüchtete junge Männer aus Tschetschenien - viele von ihnen nach brutalisierenden Kriegserfahrungen - im Lager untergebracht seien. Sie hätten wenig Chancen, von einem Bundesland in Betreuung übernommen zu werden: "Dort übernimmt man vor allem Familien mit Kindern."

Wiederholte Klagen

Knotzer klagt wahrlich nicht zum ersten Mal. In Jahres-, manchmal in Monatsabstand, machte er bisher seinem Protest gegen den Flüchtlingsmoloch Luft: Während der Unterbringungskrise im Winter 2003/2004 etwa, als über 1800 Flüchtlinge im Lager zusammengepfercht leben mussten. Sowie im Sommer 2004, als die Übernahmefreudigkeit der Bundesländer (die im Mai 2004 mit dem Bund eine diesbezügliche Vereinbarung unterzeichnet haben) sehr zu wünschen ließ und die Belagzahl auf 1600 Flüchtlinge angestiegen war.

Kein Ende des Ansturms

Diesmal jedoch bekräftigen Knotzers Beobachtungen die Aussagen eines hochrangigen, anonym bleibenden Insiders, der kein Ende des Flüchtlingsansturms nach Traiskirchen sieht. Vielmehr habe der vermehrte Zustrom "schon vor rund drei Monaten begonnen": Eine Schilderung, die eine Flüchtlingsberaterin der Diakonie bestätigt.

Traiskirchen - so der Insider - sei mittlerweile ebenso "bummvoll" wie seine Außenstellen Reichenau und Bad Kreutzen mit derzeit siebzig respektive 220 Insassen. So voll wie die Erstaufnahmestelle im oberösterreichischen St. Georgen/Thalham.

Ministerin "ratlos"

Im Innenministerium herrsche deshalb "Ratlosigkeit": In den kommenden kalten Wochen - und vor dem Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes im Jänner 2006 - sei mit noch mehr Flüchtlingen zu rechnen. Doch in den Bundesländern sinke die Aufnahmebereitschaft: Mitte dieser Woche hätten sich in Traiskirchen daher "170 Asylwerber, die längst in Länderbetreuung sein sollten" befunden.

Diese Zahl wird von Hannes Rauch, Pressesprecher von Innenministerin Liese Prokop, nicht bestätigt. Nicht wahr sei auch, dass das Lager Traiskirchen derzeit überfüllt sei, auch die Überstellung in Länderbetreuung funktioniere. Die weitere Entwicklung müsse jedoch "sensibel beobachtet" werden. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 11.11.2005)