Plakat zur ersten Regenbogen-Parade (Juni 1996)

Verstecktes und verschwiegenes, blühendes und bis zur Vernichtung diskriminiertes, vergessenes und nun wieder erinnertes Leben - das ist das Thema der Ausstellung "Geheimsache: Leben" über schwule und lesbische Geschichte im Wien des 20. Jahrhunderts. Positive wie auch negative Meilensteine dieser Geschichte werden auf insgesamt 1700 m² gezeigt - im folgenden ein kurzer Rundgang:

Foto: derStandard.at/Thomas Bergmayr

"Urgeschichte": 1868

Ein Wort, das viel jünger ist, als die meisten vermuten würden: Ein Briefentwurf des Übersetzers und Schriftstellers Karl Maria Kertbeny enthält die erste belegte Erwähnung des Wortes "homosexual". Im 19. Jahrhundert existierte noch keine allgemein gebräuchliche Terminologie. Wörter mit biblischen oder antikisierenden Bezügen - z. B. "Sodomie" oder "sokratische Liebe" - standen Neuschöpfungen wie "Urning" (für einen schwulen Mann) gegenüber.

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Staatsbegräbnis im Jahr 1957

Im Jänner 1957 wurde der beliebte Bundespräsident Theodor Körner zu Grabe getragen. Auf sein Privatleben wurde nur verklausuliert eingegangen. In der Ausstellung wird unter anderem ein Bericht der "Wiener Bildwoche" gezeigt, in dem es heißt: " ... die Anverwandten Theodor Körners und unter ihnen, als zur Familie zählend, Körners treuer Kriegskamerad und Chauffeur Robert Semrad."

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Höhepunkt der Verfolgung

Als Leihgabe des United States Holocaust Memorial Museum ist der vermutlich letzte erhalten gebliebene Rosa Winkel aus der NS-Zeit zu sehen. Wie alle homosexuellen KZ-Insassen musste auch Josef K. dieses Erkennungszeichen tragen. Josef K. veröffentlichte 1972 unter dem Pseudonym Heinz Heger den Zeitzeugenbericht "Die Männer mit dem Rosa Winkel" - auf seine Lebensgeschichte wird im Ausstellungsabschnitt Spiegel ausführlich eingegangen.

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Symbol des Widerstands

Auch Rosa Jochmann, später Nationalrätin und Frauenvorsitzende der SPÖ, wurde während der Nazi-Zeit in ein KZ eingeliefert. Nach der Befreiung ließ sie diesen Ring als Erinnerung an Verfolgung und Widerstand anfertigen - er enthält auch zwei Häftlingsnummern: die von Jochmann selbst und die einer Freundin.

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Privatpost als Beweismittel, 1

Die Ausstellung zeigt eine Reihe privater Dokumente, die gegen ihre BesitzerInnen verwendet wurden. Tagebücher, Notizzettel, Gedichte oder Liebesbriefe wurden zu Beweismitteln für die strafrechtliche Verfolgung homosexueller BürgerInnen - hier im Bild handcolorierte Porträt-Karten einer Frau an ihre Freundin aus dem Jahr 1914.

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Privatpost als Beweismittel, 2

Andere Dokumente sind wesentlich jüngeren Datums, etwa der Liebesbrief eines Mannes aus dem Jahr 2000; verwendet als Beweismittel in einem Verfahren wegen "gleichgeschlechtlicher Unzucht". Hier im Bild die Kopie eines der gängigsten Glückwunschkarten-Sujets der Jetztzeit. Viele von uns haben Billets dieser Art schon benutzt - die Geschichte der Diskriminierung rutscht damit auf beklemmende Weise an den Alltag von heute heran.

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Geheimhaltung beginnt im Kleinen

Eine Geldbörse mit dem Foto einer Alibifrau: Das Bild der vermeintlichen Gattin dient dem Aufrechterhalten einer Doppelexistenz - manchmal bis herauf in die Gegenwart.

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Kein Liebesbrief

Entlassungsbrief Christoph Schönborns (damals noch Erzbischof) aus dem Jahr 1997 an den Priester Johannes Wahala: "Ich untersage Ihnen öffentliche Stellungnahmen zum Thema Homosexualität und erinnere Sie daran, daß Sie diesbezüglich keinerlei Mandat erhalten haben. Ihre weitere seelsorgliche Tätigkeit wird in persönlichen Gesprächen geklärt werden." Wahala ist heute Leiter der Beratungsstelle Courage für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen.

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In der Öffentlichkeit

Auch Stil-Ikone Marlene Dietrich hatte einen starken Wien-Bezug. Im 1. Bezirk ließ sie sich in den 30er Jahren Anzüge schneidern, die den legendären androgynen Marlene-Look mitprägten ... bei einem Herrenschneider.

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Rechtlicher Meilenstein

1971 wurde der noch aus dem Jahr 1852 stammende Paragraph 129b, der Homosexualität generell unter Strafe stellte, abgeschafft. War die Mehrheit im Nationalrat auch groß - neun Abgeordnete der ÖVP stimmten dagegen. Hier im Bild das "Kurier"-Cover vom Tag nach der historischen Abstimmung.

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Guten Morgen Österreich!

Damit hätten die ZuschauerInnen des Neujahrskonzerts 1982 nicht gerechnet: Zwei nackte Aktivisten der Homosexuellen Initiative Wien (HOSI) enterten die Bühne und hielten ein Transparent mit der Aufschrift "Menschenrechte für Schwule" hoch. Eine Fotoreihe erinnert an die spektakuläre Aktion, die in eine stark ansteigende öffentliche Diskussion mündete.

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Brief des Generalintendaten (1993)

Auszüge aus einem Brief des damaligen ORF-Intendanten Gerd Bacher an Günter Tolar: "Da Sie nun schon kontinuierliches 'Coming Out' betreiben (...) muß Ihnen offenbar entgehen, daß ein erheblicher Teil der Öffentlichkeit, unseres Publikums, nicht nur kein Interesse an der Intimsphäre der ORF-Mitarbeiter hat, sondern durch deren Zurschaustellung angewidert wird (...) ist für Ihr Verhalten - weil unternehmenschädigend - kein Platz."

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Gepackte Koffer

Der berühmte "Sexkoffer" zum Aufklärungsunterricht an Schulen sorgte Ende der 80er Jahre für Aufsehen; Schwerpunkt: Verhütung und HIV-Vermeidung. Homosexualität wurde gar nicht oder tendenziell negativ erwähnt. - Hier steht er einem von Margarete Grabner gepackten Spaß-am-Sex-Koffer gegenüber.

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"Jetzt wird bald ein anderer Wind wehen"

Aus dem Archiv der Rosa Lila Villa stammt dieses Drohschreiben aus dem Jahr 2000. Per CD-Player und Kopfhörer können sich BesucherInnen der Ausstellung auch Anrufe, die auf den Beantworter der Villa niedergegangen sind, anhören: Die Bandbreite reicht von eher doofen (Teenager-)Wortmeldungen bis zu Beschimpfungen und handfesten Drohungen. HOSI-Aktivist Kurt Krickler erhielt sogar eine schriftliche Todesdrohung.

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Kunst-Aspekte

Das "Selbstporträt auf blau" des Filmemachers und bildenden Künstlers Hans Scheirl aus dem Jahr 1997 ist Teil des abschließenden Ausstellungsteils Leidenschaften. Zu sehen sind unter anderem auch Werke von Sigrid Hutter, Anton Kolig und Matthias Herrmann.

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Sammel- und andere Leidenschaften

Neben künstlerischen Auseinandersetzungen geht der Ausstellungsteil Leidenschaften auch auf privatere Freuden und Obsessionen ein - wie hier ein Auszug aus der Sammlung von Vintage Barbie-Puppen des Life-Ball-Organisators Gery Keszler.

Die Ausstellung "Geheimsache: Leben" ist bis 8. Jänner geöffnet. Nähere Informationen zum Konzept finden Sie hier; Karten verlosen wir in unserem Gewinnspiel. (red)

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