Wien - Die Oppositionsparteien haben es immer schon gesagt, die Arbeiterkammer (AK) auch: Nun aber ist auch der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Veit Sorger, offen für Änderungen bei der Kindergeld-Reglung eingetreten, weil diese Frauen de facto am Wiedereinstieg in die Arbeitswelt hindere. Das Kinderbetreuungsgeld wirke in seiner derzeitigen Form jedenfalls "erwerbshemmend", kritisierte Sorger. Man müsse qualifizierte Menschen, in dem Fall vor allem Frauen, wieder und früher in das Erwerbsleben zurückholen. Eine bessere Vereinbarkeit zu ermöglichen, sei eine "Investition in die Zukunft", bewirke eine höhere Frauenbeschäftigung, höhere Einkommen und damit eine Stärkung der Wirtschaft.

Der Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen sei nach wie vor beträchtlich, beweise die aktuelle Analyse des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung im Auftrag der IV: Österreichweit würden aktuell rund 46.000 Kinderbetreuungsplätze fehlen, vor allem für Kinder unter drei und zwischen sechs und 14 Jahren. Weitere 40.000 Kinderbetreuungsplätze müssten qualitativ verbessert werden.

300 Millionen Euro notwendig

Sorger bezifferte die notwendigen zusätzlichen Mittel mit rund 300 Millionen Euro. Er plädierte bei den Kinderbetreuungsleistungen für ein neues Modell mit einem Gutscheinsystem. Dabei sollen die Gutscheine den Eltern als "Kunden" der Einrichtungen von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt werden und könnten dann bei den Stellen individuell eingelöst werden.

Ebenfalls einer Meinung sind die Sozialpartner bei der Änderung der derzeitigen Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld. Der Zuverdienst sollte bis zu einem Ausmaß von bespielsweise 60 Prozent des (Vollzeit-) Gehaltes oder einer entsprechenden Zeitgrenze - AK-Präsident Herbert Tumpel schlug 24 Wochenstunden vor - ermöglicht werden. Das komme vor allem höher qualifizierten Frauen zugute, zeigte sich Sorger überzeugt. Aber auch bei Vätern könnte diese Regelung eine höhere Bereitschaft, in Karenz zu gehen, auslösen, ergänzte Tumpel.

Zudem sollte es möglich sein, dass man früher in den Job zurückkehrt - ohne finanzielle Einbußen beim Kinderbetreuungsgeld zu erleiden. Ein höheres monatliches Kindergeld sollte bei kürzerer Bezugsdauer bezogen werden können. Die Industrie stellt sich eine variable Dauer zwischen zwölf und 36 Monaten vor. (DER STANDARD, 09.11.2005)