Von links nach rechts: Michael Hess, Maria Rauch-Kallat, Gerfried Sperl, Eva Linsinger, Peter Mateyka, K.P. Schwarz, Franz X. Heinz

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Wien – Nicht Pandemie-Panik, sondern "Vorbereitung auf eine mögliche Gefahr" sei das Gebot der Stunde, betonte der Virologe Franz X. Heinz: "Alle Maßnahmen, die gesetzt werden, so lange man klar denken kann, sind sinnvoll", sagte er beim Montagsgespräch von STANDARD und "puls TV" zum Thema "Grippegefahr" im Wiener Haus der Musik.

Wenig Zeit zum Denken

Sollte sich nämlich – wie von der Weltgesundheitsorganisation WHO befürchtet der Vogelpesterreger H5N1 mit dem humanen Grippevirus tatsächlich zu einem neuen, von Mensch zu Mensch übertragbaren Supervirus verbinden, werde "wenig Zeit zum klaren Denken" bleiben. "Dann stellt sich die Frage: Ist das Virus so infektiös wie die Lungenkrankheit Sars, deren Verbreitung man mit hygienischen Maßnahmen eindämmen kann? Oder ist es noch infektiöser, sodass Maßnahmen des Pandemieplans ergriffen werden müssen?", erläuterte der Vorstand des Instituts für Virologie an der Uni Wien.

Kein Kino, kein Wahlkampf

Maßnahmen, die da zum Beispiel wären: Abgabe der Antigrippemittel Tamiflu und Relenza an Menschen in Schlüsselberufen, Schließung aller Schulen und Kindergärten, Verhinderung größerer Menschenansammlungen: "Wird es dann kein Kino oder keine Opernvorstellungen geben?", fragte Ko-Moderator, STANDARD-Chefredakteur Gerfried Sperl. "Das wäre sicherlich gescheit", antwortete Heinz. Auch "öffentliche Wahlkämpfe" würden bis zum Abflauen einer Pandemie wohl gestoppt.

Armen Ländern helfen

Doch, wie gesagt: All das sei derzeit nur Papier, stellte Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) klar: Das humane Supervirus sei zum Glück noch nicht entstanden und die heftigen Warnungen

der WHO seien auch als "Mobilmachen für Pandemiepläne in den Entwicklungsländern" zu verstehen, deren Erarbeitung von reichen Westen unterstützt werden müsse.

Vielmehr – so der Experte für Geflügelkrankheiten, Michael Hess – nähmen weltweit die Fälle von Vogelpest bei Hühnern, Puten und anderem domestizierten Geflügel zu; jenes Virus, das bei engem Kontakt mit Vögeln in Einzelfällen auf den Menschen übertragbar ist: Eine Entwicklung, die "um 1995" ihren Ausgang genommen habe, nach "Jahrzehnten, in denen Vogelgrippe nur in Einzelfällen aufgetreten ist" – warum, wisse niemand.

Mehr Mittel für Forschung

Entsprechend vernachlässigt habe man in dieser Zeit die Vogelgrippenforschung. Hess: "Da braucht es jetzt viel mehr Mittel". Während bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen humane Grippeviren in den vergangenen Jahren beachtliche Fortschritte erzielt wurden, wie die Pharmafirma- Vertreter Karl Peter Schwarz von Sanofi Pasteur MSD und und Peter Mateyka von Baxter Österreich schilderten.

Vor allem die neuen Zelltechnologien ermöglichten raschere Impfstoffentwicklung als die klassische Methode, bei der Hühnereier mit dem jeweils aktuellen Grippevirus infiziert werden. Im Pandemiefall, so Mateyka, werde es mit Zelltechnologie rund "zehn Wochen" dauern, bis der erste Impfstoff fertig ist. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 09.11.2005)