Wien – So eine Generalsanierung ist nun einmal ein guter Anlass, gründlich aufzuräumen. Und was war beim großen Umbau des Ringstraßenpalais Epstein nicht alles gefunden und rühmlich erwähnt worden: Vom historischen Sternparkett bis zum versteckten Türmechanismus – alles hatte der Nationalratspräsident Andreas Khol voll des Stolzes präsentiert.

Dass beim Umbau des ehemaligen Stadtschulrates für die Parlamentsmitarbeiter aber auch ein bedeutsames Detail verschwunden ist, fiel allerdings bisher nur einem auf, dem ehemaligen Stadtschulratspräsidenten Kurt Scholz: Denn vorn an der Fassade ist sie entfernt worden – die Gedenktafel für den großen Schulreformer der Zwischenkriegszeit, Otto Glöckel.

Die Verbitterung "Was mich verbittert: Dass das gerade jetzt geschieht, wo Mitarbeiter des Parlaments in dieses Haus einziehen", erläutert Scholz. Denn Glöckel war nicht nur ebenfalls Präsident des Stadtschulrates, sondern "auch Nationalratsabgeordneter und er ist als Repräsentant eines frei gewählten Parlamentes 1934 im Palais Epstein verhaftet worden", erinnert Scholz. "Er wurde in ein Guantanamo der damaligen Zeit gebracht, ins Anhaltelager Wöllersdorf, wo er in Haft war, ohne einen Richter zu sehen."

Und dies verbindet die Erinnerung an diesen Parlamentarier, der gesundheitlich gebrochen aus dem Lager zurück kehrte und wenig später verstarb, untrennbar mit diesem Haus am Ring. Ein Haus, in das nun Büros für frei gewählte Mandatare kommen.

Vater des Aufklärungsunterrichts

Dazu kommt, dass Glöckel bahnbrechend für die Modernisierung des Schulwesens wirkte – wobei er sich nicht nur für die Chancengleichheit und, entgegen autoritäre Erziehungssysteme, für die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Kindes einsetzte. Glöckel stellte sich auch vehement gegen den kirchlichen Einfluss im öffentlichen Bildungswesen – und er führte auch für einige empörende Fächer wie Aufklärungsunterricht ein. Glöckels Vision einer Einheitsschule für alle Zehn- bis Vierzehnjährigen scheiterte schon damals am Widerstand des konservativen Lagers. Als Kompromiss wurde 1927 anstelle der "Bürgerschule" die neue vierklassige "Hauptschule" eingeführt.

Scholz empört nicht nur die seiner Ansicht nach "absichtsvolle Unsensibilität der einen". Sondern auch "die dumme Ignoranz der anderen, nämlich der unseren, die nicht einmal aufschreien".

Seitens der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) hieß es dazu am Dienstag, dass die Tafel für Glöckel und auch jene mit den früheren Stadtschulratspräsidenten "in Abstimmung mit dem Parlament und dem Bundesdenkmalamt abmontiert und gelagert" worden seien.

"Keine politische Absicht"

Im Büro von Präsident Khol wird betont, dass dahinter keinerlei politische Absicht stecke: Man habe sich nach Gesprächen mit dem Bundesdenkmalamt auf diese Vorgehensweise geeinigt. Die Tafeln würden im Arsenal gelagert und könnten dem Wiener Stadtschulrat zur Verfügung gestellt werden. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe, 09.11.2005)