Herbst im Wiener Stadtwald

STANDARD/Christian Fischer
"Schon der Blick aufs Grüne baut den Menschen auf. Die Anrainer sehen den Wienerberg als Teil ihrer Wohnung", schildert Stadtförster Uwe Skacel. Von seiner Forsthütte aus hat er einen schönen Rundblick über das Naherholungsgebiet Wienerberg, das sein Revier ist.

Laut der letzten Besucherstromerhebung 2002 verbrachten 1,25 Millionen Menschen ihre Freizeit auf dem nur rund 120 Hektar großen Areal. Am massenhaften Zulauf hat sich bis jetzt nichts verändert.

Das Gebiet liegt auf dem Areal der ehemaligen Wiener Ziegelwerke. Erst in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts entstand dieses charakteristische und stadtökologische Biotop, das 1995 zum geschützten Landschaftsteil erklärt wurde. Der Wienerberg erstreckt sich im 10. Bezirk zwischen Eibesbrunnergasse und Neilreichgasse. Der Bereich des Naherholungsgebiets hat eine Gesamtfläche von rund 120 Hektar, wobei etwa 16 Hektar auf Wasserflächen entfallen. 90 Hektar des Erholungsgebiets sind geschützter Landschaftsteil, in dem man auch einige bedrohte Arten wie etwa den Großen Feuerfalter oder die Europäische Sumpfschildkröte beobachten kann. Charakteristisch sind die im Südosten des Geländes gelegenen Trockenrasenfluren, die unter Naturdenkmalschutz stehen.

Kaum eine andere Millionenstadt hat mehr Grün- und Waldfläche zu bieten als Wien. Kein Wunder eigentlich: Besteht doch auch beinahe die Hälfte Österreichs aus Wald. Rein rechnerisch entfallen auf jeden Österreicher ein halbes Hektar Wald oder 421 Waldbäume. Und es werden mehr. Denn die österreichische Waldfläche nahm in den vergangenen Jahren im Durchschnitt um rund 7700 Hektar jährlich zu.

Rund die Hälfte des Wiener Stadtgebietes ist Grünfläche, immerhin 18 Prozent der Stadtfläche macht der Wald aus, es gibt 1900 Parks und 8532 Hektar Stadtwälder. Zum Vergleich: Der erste Wiener Gemeindebezirk hat eine Größe von 300 Hektar, die Gesamtfläche der Stadt beträgt insgesamt 41.500 Hektar. Hinzu kommt, dass innerhalb der Wiener Stadtgrenzen ein Nationalpark – der Nationalpark Donauauen – liegt, dessen Wiener Teil gemeinhin als Lobau bekannt ist. Das ist einzigartig. Darüber hinaus umgeben die Bundeshauptstadt 12.000 Hektar Grüngürtel. Dieser feiert heuer sein hundertjähriges Jubiläum und bietet dem erholungsbedürftigen Wiener zahlreiche Ausflugsmöglichkeiten. Sei es der Bisamberg mit seinen ausgedehnten Eichenmischwäldern, Wiesen, Äckern und Weingärten, der Prater, die Donauinsel oder der Lainzer Tiergarten.

Herzstück Wienerwald

Das Herzstück des Grüngürtels ist zweifellos der Wienerwald. 135.000 Hektar groß ist die "grüne Lunge", westlich von Wien gelegen. Er wurde von der Unesco als Biosphärenpark anerkannt und umfasst großflächige Ökosysteme von herausragender Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt.

Der Biosphärenpark, den Wien und Niederösterreich gemeinsam betreiben, erstreckt sich auf 105.000 Hektar in 51 Gemeinden und sieben Bezirken. Er ist Heimat zahlreicher Tier- und Pflanzenarten. Das war allerdings nicht immer so. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Natur vorwiegend zum Nahrungserwerb genutzt. Erholungsflächen in Form von riesigen Parkanlagen und ausgedehnten Jagdgebieten waren jahrhundertelang nur Adligen und den oberen Gesellschaftsschichten vorbehalten.

Mit der Industrialisierung zur Mitte des 19. Jahrhunderts dehnten sich die Städte explosionsartig aus. Das hatte negative Folgen für die Natur. Damals wurde erstmals die Forderung nach intakten Grünflächen in und nahe bei Städten laut. Dem engagierten Einsatz des Journalisten und Mödlinger Bürgermeisters Joseph Schöffel ist es zu verdanken, dass der Wienerwald am Ende des 19. Jahrhunderts nicht den Äxten zum Opfer fiel.

Die beiden Weltkriege wiederum waren ein Rückschlag für die Entwicklung des Waldes. Erst mit dem Staatsvertrag 1955 konnte sich die öffentliche Hand wieder dem Wienerwald widmen. Die Stadtväter verfolgten ab diesem Zeitpunkt eine aktive Grünlandpolitik. Schutz des Waldes, mit der Erhaltung typischer Landschaftsbilder, und das Erholungsbedürfnis der Bevölkerung standen fortan im Mittelpunkt der Bemühungen. Und das mit Erfolg: Zählt doch der Wienerwald heute zu‑ den beliebtesten Naherholungsgebieten Wiens. Mit Zahlen lässt sich kaum ausdrücken wie wohl sich ein Mensch in seiner Umgebung fühlt. Dennoch: Wien gehört zu den Städten mit der höchsten Lebensqualität weltweit. Der Beitrag der Stadtwälder zu diesem Top-Ranking, ihre Erholungsfunktion und ihre Wirkung auf Stadtklima und städtisches Erscheinungsbild, sollte dabei nicht unterschätzt werden. (Markus Böhm, RONDO Spezial, 9.11.2005)