Paris - Frankreich will mit Ausgangssperren und zusätzlichen Polizeikräften den anhaltenden Unruhen in den Trabantenstädten Herr werden. Ministerpräsident Dominique der Villepin schloss allerdings vorerst einen Armee-Einsatz in den Problemvierteln aus. "Wir haben diesen Punkt nicht erreicht", sagte er am Montagabend dem Fernsehsender TF1. Die 8000 Einsatzkräfte der Polizei zur Eindämmung der Unruhen würden jedoch um 1500 weitere Beamte verstärkt, sagte Villepin an. Zugleich kündigte er einen Kraftakt zur Verbesserung der Beschäftigungschancen der Jugendlichen in den von hoher Arbeitslosigkeit geprägten Problem-Vororten an.

Unterdessen kam es am Abend erneut zu Unruhen: In Toulouse randalierten etwa 200 Jugendliche. Sie setzten einen Bus und 21 Autos in Brand. Als Polizisten eintrafen, wurden sie mit Molotow-Cocktails und Steinen beworfen. In der Nähe von Lille gingen mindestens zwei Wagen in Flammen auf. Nach Polizeiangaben wurden in Seine-Saint-Denis 17 Autos angezündet, im Westteil von Paris 14. In der Pariser Vorstadt Sevran setzten Randalierer in der Nacht zum Dienstag eine Schule in Brand, wie Polizeisprecher Patrick Hamon mitteilte. In Vitry-sur-Seine schleuderten Jugendliche Benzinbomben auf ein Krankenhaus. Verletzt wurde niemand.

Unter dem Druck zur Beendigung der Ausschreitungen sagte Villepin im Fernsehen: "Überall wo es notwendig ist, werden die Präfekten Ausgangssperren verhängen können". Das Kabinett werde am Dienstag zusammentreten, um die Bestimmungen eines 1955 während des Algerienkriegs erlassenen Gesetzes in Kraft zu setzen. Dieses diente zur Verhängung des nationalen Notstands in der damaligen französischen Kolonie. Konkret könnten damit die Präfekten der jeweiligen Departements Ausgehverbote verhängen, "wenn sie es für nützlich halten, um die Ruhe wiederherzustellen und die Sicherheit der Bewohner zu gewährleisten", sagte Villepin.

Der Bürgermeister von Raincy bei Paris hatte für den Abend bereits eine nächtliche Ausgangssperre für Jugendliche unter 18 Jahren verhängt, die nicht von Erwachsenen begleitet werden. Dies war die erste derartige Maßnahme als Reaktion auf die Krawalle in den Vorstädten.

In der Nacht zum Montag gab es bereits in 274 Städten Ausschreitungen. 36 Sicherheitskräfte wurden verletzt. Rund 1400 Autos gingen in Flammen auf. 395 Menschen wurden festgenommen. Bei den Unruhen gab es bereits ein erstes Todesopfer. Ein 61 Jahre alter Mann starb im Krankenhaus, nachdem er am Freitag in einem Vorort nördlich von Paris zusammengeschlagen worden war.

Die Ausschreitungen hatten vor anderthalb Wochen in Pariser Vorstädten begonnen, nachdem zwei Jugendliche vermutlich auf der Flucht vor der Polizei ums Leben gekommen waren. Die Krawalle weiteten sich vom Großraum Paris auf andere französische Städte aus. In den von den Krawallen betroffenen Satellitenstädten leben zumeist Einwandererfamilien aus Nord- und Schwarzafrika. Für den Ausbruch der Gewalt machen die meisten Beobachter eher Diskriminierungen und die Perspektivlosigkeit verantwortlich als religiöse Hintergründe. (APA/Reuters/AP)