Wien - Wenig Verständnis für das Wehklagen der österreichischen Kreditwirtschaft und ihrer Vertreter, die EU-Kommission tendiere zur "Überregulierung" der Branche, zeigte am Montag der zuständige Chef der Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen, Alexander Schaub. "Wir haben in den vergangenen fünf Jahren ein Programm zur Errichtung eines integrierten europäischen Finanzmarktes erarbeitet und mussten dafür innerhalb kürzester Zeit die rechtlichen Rahmen für den Finanzmarkt schaffen."

Das hat im Sektor die Stimmung erzeugt, er stehe unter extremen Regulierungsdruck. "Aber", so Schaub, auf Einladung der Kreditsparte der Wirtschaftskammer in Wien, "das alles geschah nicht zum Spaß der Brüsseler Bürokraten, sondern das war die Folge der langen Inaktivität zuvor." Europa sei vor der Entscheidung gestanden, "aufzuwachen oder endgültig den Zug zu verpassen". Neue Regelwerke und Vorschriften wie Basel II, das im kommenden Mai oder Juni vom Nationalrat beschlossen werden soll, waren die Folge.

EU spielt Ball zurück

Den von den Banken nach Brüssel gerollten Ball spielte der EU-Funktionär so zurück: "Ein überwiegender Teil der Rechtssetzung wird nicht von Brüssel, sondern von den nationalen Gesetzgebern produziert." Alle anderen Darstellungen seien "naive und unehrliche Polemik".

Während der Chef der Sparte Kreditwirtschaft, Herbert Pichler, vor weiterer Überregulierung und "finanzieller Überforderung der Kreditwirtschaft" warnte, machte Schaub den Instituten angesichts des nächsten Fünfjahresplans der EU Hoffnung: "Es gibt keine neue Gesetzeswelle. Jetzt geht es um Konsolidierung, Umsetzung und Kontrolle der bestehenden Regelungen. Wir müssen das System zum Funktionieren bringen, das ist für Europa eine Frage des wirtschaftlichen Überlebens."

Jetzt gehe es um Weiterbearbeitung und Abschluss der laufenden Projekte wie Basel II, die Einbettung des europäischen ins globale System - und um "eine sehr begrenzte Zahl neuer Projekte".

Musterschüler

Als Beispiele nannte der Generaldirektor die Festschreibung der Kapitalausstattung für Versicherungsunternehmen, Richtlinien für die Kapitalmärkte, die die regulatorische Basis für die Fusionierung von Börsen sind. Die Frage, ob die gebetsmühlenartige Kritik der Kreditwirtschaft berechtigt ist, wonach Österreich "der Musterschüler der EU" sei und "hundert Prozent der EU-Richtlinien übernimmt, während sich andere Länder mit 70 Prozent begnügen" (Pichler), beantwortete Schaub so: "Aus Brüsseler Sicht schlägt sich Österreich in der EU wesentlich besser als andere Mitgliedstaaten."

Auch in der Finanzierung (laut Kammer sind die Folgekosten der Regulierung seit 2001 um 240 Prozent gestiegen) sieht Schaub "keine dramatischen Schwierigkeiten: Es geht da ja nicht um Luxusregulierungen". Die Erarbeitung des EU-Programms für die nächsten fünf Jahre hat übrigens zwei Jahre gedauert. (gra, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 08.11.2005)