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Walter Seledec

Foto: AP/Punz
Walter Seledec, zentraler Chefredakteur im ORF, sieht sich erneut mit heftiger Kritik konfrontiert. Der Redakteursrat des ORF hat am Montag in einer Aussendung die ORF-Geschäftsführung aufgefordert, Seledec "mit sofortiger Wirkung" von "allen journalistischen Aufgaben" zu entbinden. Der Grund für die Empörung: Seledec habe am Sonntag einer Kranzniederlegung am Grab des NS-Fliegers Walter Nowotny beigewohnt und sei dort auch als Ehrengast begrüßt worden, schreibt die "Presse" am Montag.

"Eindeutig parteipolitische Nähe"

Nach Ansicht des Redakteursrats hat Seledec einmal mehr "eindeutige parteipolitische Nähe" demonstriert. Dies sei "absolut unvereinbar" mit der journalistischen Berufsethik, aber auch mit dem ORF-Gesetz. In diesem wird den journalistischen und programmgestaltenden Mitarbeitern des ORF "Unabhängigkeit von Staats- und Parteieneinfluss" als "Pflicht" vorgeschrieben. Keinesfalls wolle man Seledec in der Ausübung seiner demokratischen Rechte hindern, unterstrich der Redakteursrat. "Es muss aber sichergestellt sein, dass sein Status als ORF-Journalist nicht länger für parteipolitische Propaganda missbraucht werden kann."

Seledec unterschrieb Peter-Traueranzeige

Erst vor wenigen Wochen hatte es Aufregung um Seledec gegeben, als dieser eine Traueranzeige anlässlich des Todes des langjährigen FPÖ-Chefs Friedrich Peter unterzeichnet hatte. Dafür gab es Medienberichten zufolge einen Dienstverweis (etat.at berichtete). Seledec nahm sich im Gegenzug Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer als Anwalt. Der aktuelle Vorfall wird APA-Informationen zufolge im ORF ebenfalls intern untersucht.

Mailath-Pokorny:Seledec als ORF-Chefredakteur "untragbar"

Konsequenzen in der Causa Seledec fordert der Wiener Kultur- und Wissenschaftsstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (S). Es stünde "allen, vor allem dem ORF, gut an, die Konsequenzen zu ziehen", sagte Mailath-Pokorny am Dienstag bei einem Mediengespräch im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW).

Seledec sei als Chefredakteur mit zentraler Verantwortung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk "untragbar". Mailath-Pokorny erinnerte daran, dass die Stadt Wien der Grabstätte des NS-Luftwaffenoffiziers Walter Nowotny am Zentralfriedhof vor zwei Jahren den Status des Ehrengrabes aberkannt hat. Der Beschluss fiel auf Antrag der Grünen im Gemeinderat mit den Stimmen von Grünen und SPÖ. Die FPÖ hatte damals heftig protestiert und Nowotny - der im Zweiten Weltkrieg mehr als 250 Flugzeuge der Alliierten abgeschossen hatte - als "hervorragenden Soldaten" bezeichnet.

Lösung durch Pensionierung?

Medienberichten und APA-Informationen zufolge könnte die Causa durch die Pensionierung des 60-jährigen Seledec gelöst werden. (APA)

Im Folgenden das Schreiben des ORF-Redakteursrat an die Geschäftsleitung im Wortlaut

"Mit ORF-Journalismus unvereinbar

Der ORF-Redakteursrat fordert, Walter Seledec von allen journalistischen Aufgaben im ORF zu entbinden

Dass Walter Seledec nun abermals (bei einer RFJ-Gedenkveranstaltung für einen prominenten illegalen Nazi) eindeutige parteipolitische Nähe demonstrierte, ist absolut unvereinbar mit der (für alle anderen ORF-Journalisten selbstverständlichen) Berufsethik und dem ORF-Gesetz, das "Unabhängigkeit von Staats- und Parteieneinfluss" sowohl als Recht als auch als Pflicht der ORF-Journalisten festlegt. Die ORF-Redakteursvertretung erwartet von der Geschäftsführung, dass sie als minimalste Reaktion auf das fortgesetzte unternehmensschädigende Verhalten Walter Seldec mit sofortiger Wirkung von allen journalistischen Aufgaben entbindet.

Walter Seledec soll übrigens selbstverständlich keineswegs in der Ausübung seiner demokratischen Rechte (einschließlich des Gedenkens an Nicht-Demokraten) beschnitten werden, es muss aber sicher gestellt sein, dass sein Status als ORF-Journalist nicht länger für parteipolitische Propaganda missbraucht werden kann.

Der ORF-Redakteursrat, (Fritz Wendl, Stefan Jung, Markus Sint)"