Von außen mag es aussehen wie eine glatte Rückeroberung der Macht durch jene Gruppen, die den Iran dominierten, bevor sich in der zweiten Amtszeit von Hashemi Rafsanjani und dann unter Mohammed Khatami die Pragmatiker oder sogar die "Liberalen" durchsetzten. So einfach ist es aber nicht. Was wir im Iran heute sehen, enthält viel Neues, es ist eine neokonservative Strömung mit revolutionären Elementen, die auch die behäbigen iranischen Traditionalisten zu verschrecken scheinen.

Und so läuft die Eroberung der Macht durch die iranischen Hardliner auch alles andere als glatt: Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad, der die Wahlen bequem gewonnen hat, wenn auch mit viel weniger Stimmen als sein Vorgänger, hatte gleich zu Beginn allergrößte Schwierigkeiten, im - konservativen! - Parlament seine Regierung durchzubringen. Ein guter Hinweis auf den Machtkampf, der hinter den Kulissen tobt.

Derweil geht die Umbesetzung der Islamischen Republik jedoch stetig vonstatten. Ahmadi-Nejads Personalpool speist sich aus islamischen Milizen und Geheimdienst, die typischen Kontroll-Freaks also, die man, wenn sie die Macht einmal haben, nicht mehr so leicht wieder loswird. Übrigens kann man einfach nicht umhin, bei der Besetzung von Posten durch Spezis mit manchmal fragwürdiger Qualifikation an die amerikanischen Neocons zu denken: So ist das eben bei Ideologen.

Bei der neokonservativen Übernahme der Islamischen Republik geht es Ahmadi-Nejad jedoch offensichtlich nicht nur um das einfache Ziel der Machtergreifung durch seine Clique - sondern um nicht weniger als die Überwindung dieser Republik, die Khomeini als solche vor 26 Jahren gegründet hat.

So ist seine jüngste Aussage zu verstehen, dass sein Politikziel primär die Vorbereitung des Iran auf die Rückkehr des 12. Imam ist (Muhammad al-Mahdi, der in der zweiten Hälfte des neunten christlichen Jahrhunderts verschwunden ist). Was dann kommt, eine islamische Herrschaft, wird importierte Konzepte wie eine Republik natürlich nicht mehr brauchen.

Interessant ist, dass Ahmadi-Nejad, von dem das Gerücht im Umlauf war, dass er kein hundertprozentiger Anhänger des Khomeinischen Staatskonzepts des "velayat-e faqih" ("Herrschaft des Rechtsgelehrten") ist, dazu erst einmal die Stärkung der religiösen Führung, also der Stütze dieses Systems, betreibt. Typisch ist ja für ihn, dass er dem Klerus noch mehr Kontrolle über die Finanzen des Staats verschaffen will.

Ohne Zweifel ist Ahmadi-Nejads Politik der Weiterentwicklung der Islamischen Republik auch als Reaktion darauf zu verstehen, was Präsident Mohammed Khatami versucht hat. Er wollte die Islamische Republik retten, indem er das, was ihm unhaltbar schien, stückweise zur Disposition gestellt hat. Mit offenem Ausgang. Bei all dem Bush-Bashing der letzten Zeit muss man wieder einmal feststellen, wie tragisch die Versäumnisse der US-Politik im Mittleren Osten während der Ära von Bill Clinton waren: Niemand hat Khatami geholfen.

Wie geht es nun weiter? Vor allem darf man - und diese Gefahr besteht bei der konstant antiiranischen Stimmung im Westen - keinesfalls in den Fehler verfallen zu glauben, dass die Wähler, die Ahmadi-Nejad an die Macht gebracht haben, dies getan haben, um seine unsäglichen Israel-Drohungen oder seine Mahdi-Fantasien zu hören.

Ahmadi-Nejad hat die Wahlen wegen seiner sozialen Versprechungen gewonnen, denen er durch sein bescheidenes Auftreten und seine Unbeflecktheit von den mafiösen Zuständen im Iran Glaubwürdigkeit verlieh. Die Öleinnahmen werden die Iraner auf ihren Esstischen zu sehen bekommen: Mit solchen Slogans hat er gesiegt. Und wenn es ihm nicht gelingt, die wirtschaftlichen und die sozialen Probleme des Iran zu verbessern, wird er scheitern, so wie die Reformer vor ihm. Es ist gar nicht auszuschließen, dass es gerade von ihm einmal heißen wird, er war der Totengräber von Khomeinis Werk. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.11.2005)