Jennifer Imhof ist Studentin der Publizistik- und Kommunikations- wissenschaften und leitet das Projekt Gesundheits - Tandem®.
SFC/Murlasits
Beatrice Achaleke ist Mitbegründerin und Obfrau des Vereins "Schwarze Frauen Community" (SFC), Co-Projektleiterin beim "Equality Mentoring für schwarze Frauen" (EMSF), Obfrau von ENARA- European Network against Rassism, Austria und langjährige Mitarbeiterin in zahlreichen kulturpolitischen Projekten in Schulen und in der Erwachsenenbildung, im entwicklungs- politschen und im Menschenrechts- bereich.
dieStandard.at: Was war der Auslöser, das Projekt "Gesundheitstandem®" zu starten?

Jennifer Imhoff: Im September 2004 organisierte die Schwarze Frauen Community die erste Bundestagung schwarzer Frauen in Österreich. Ein Workshop befasste sich intensiv mit dem Thema Gesundheit. In der Evaluierung der Ergebnisse wurde klar, dass schwarze Frauen im österreichischen Gesundheitssystem oftmals keine ideale Versorgung vorfinden. Sei es, aufgrund mangelnden Wissens um interkulturellen Umgang mit den Patientinnen oder wegen erheblicher Sprachbarrieren.

dieStandard.at: Wie kann sich das auswirken?

Jennifer Imhoff: Die Frauen berichteten beispielsweise über unzureichende Informationen in Bezug auf Medikation oder Untersuchungen, geringes Einfühlungsvermögen oder gar fremdenfeindliches Verhalten. Mit dem Pilotprojekt "Gesundheitstandem®" wollten wir den schwarzen Frauen einerseits wichtige Basisinformationen über das österreichische Gesundheitssystem offerieren und das medizinische Personal andererseits in Bezug auf den beruflichen Umgang mit schwarzen Frauen sensibilisieren.

dieStandard.at: Wie prekär schätzen sie die reale Situation in Österreich/Wien ein?

Beatrice Achaleke: Die Zahl schwarzer Frauen in Österreich bzw. Wien steigt ständig. Die gesetzlichen Bestimmungen werden immer enger - Ausgrenzung und Abhängigkeiten sind die Folgen. Immer mehr schwarze Menschen, insbesondere Frauen, haben täglich mit rassistischen Angriffen und deren Folgen zu kämpfen. Auch die Medien und die Politik produzieren täglich Bilder von schwarzen Menschen, die diese Situation nicht gerade erleichtern. Die "Schwarze Frauen Community" versucht durch verschiedene Projekte, etwa durch Empowerment durch Information und Vernetzung, durch Lobbying und Projizierung von Selbstbildern von schwarzen Frauen an die österreichische Gesellschaft, diesen negativen Bildern entgegen zu wirken.

dieStandard.at: Mit welchen Methoden arbeiteten Sie im Gesundheits - Tandem®?

Jennifer Imhoff: Die Tandem Workshops wurden nach der Open space-Methode gestaltet. Dies bedeutet in erster Linie, möglichst viel Freiraum für Individualität und Interaktivität. Die Frauen hatten die Möglichkeit, die Workshops mitzugestalten und Themen zur Auswahl zu stellen. Somit liefen die Veranstaltungen größtenteils selbstorganisiert und in Kleingruppen. Auch bei den Seminaren wurde darauf geachtet, den Redebeitrag der jeweiligen Referentin eher kurz zu halten und primär auf die Interessen und Fragen der Teilnehmerinnen einzugehen. Die relevanten Informationen wurden beim nächsten Treffen in Form eines Protokolls ausgehändigt. So blieb während des Seminars ausreichend Zeit, die individuellen Fragestellungen der Frauen zu diskutieren.

dieStandard.at: Welchen Vorteil bringen so intensive Paararbeiten?

Jennifer Imhoff: Die Tandem Methode wurde ursprünglich für das Erlernen von Sprachen entwickelt und ermöglicht ein gleichberechtigtes von und miteinander Lernen. Es war ideal, mit dieser Methode zu arbeiten, da die schwarzen Frauen so einerseits medizinische Belange diskutieren und ihr Wissen in dem Bereich erweitern konnten, sie aber andererseits ihrer Tandempartnerin Teile ihrer Kultur und Lebensweise übermitteln konnten. Eine innovative Vorgangsweise, die in anderen Projekten kaum angewandt wird. Die Paararbeiten erfordern ein intensives Miteinander. So manche Freundschaft wurde während des Projekts geschlossen, andere behielten bis zum Schluss die sachliche Ebene bei.

Zum Glück blieben negative Emotionen während der Laufzeit des Projektes aus – alle Teilnehmerinnen sind mittlerweile per Du und das Feedback ist durch die Bank positiv.

dieStandard.at: Wie konnten Sie Personal aus dem Gesundheitsbereich lukrieren?

Jennifer Imhoff: In Zusammenarbeit mit der Personalabteilung des österreichischen Krankenanstaltverbundes wurde das Kranken- und Pflegepersonal angeschrieben. Idealerweise gab es viele Interessentinnen, die sich beteiligen wollten. Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, dass ein möglichst breites Spektrum an Berufsfeldern vertreten ist, so dass eine bunte Vielfalt an Fachpersonal gewährleistet wurde.

dieStandard.at: Muss man auf dieser freiwilligen Basis nicht davon ausgehen, dass sowieso nur Personen teilnehmen, die sich der Situation bewusst sind? Wie erreichen Sie die "Nichtbewussten"?

Beatrice Achaleke: Diese Möglichkeit können wir nicht ausschließen. Es wäre naiv zu glauben, dass wir alle "Nichtbewussten" erreichen und sensibilisieren können. Wir arbeiten mit Menschen, die bereit sind für interkulturellen Austausch und hoffen, dass solche Menschen immer mehr werden.

dieStandard.at: Eine Frage zur Definition von "schwarzen" Frauen: wie un/scharf ist diese Zielgruppe tatsächlich? Werden hier nicht soziale Ungleichheiten - eine US-amerikanische Akademikerin steht doch in einer anderen Situation als z.B. eine Nigerianerin ohne Ausbildung - zugunsten einer fiktiven Gruppe?

Jennifer Imhoff: Was uns schwarze Frauen in Österreich verbindet und sich im Rahmen dieses Projekts wieder einmal gezeigt hat, ist eine gewisse marginale Stellung in der österreichischen Gesellschaft. Das Motto der Schwarze Frauen Community ist und war Self-Empowerment. Sich gewisse Kompetenzen anzueignen, um in der österreichischen Gesellschaft zurecht zu kommen, ist lebenswichtig und wird von unserem Verein propagiert wie auch gefördert. In der Minderheit zu leben und als solche gewisse Stigmata auferlegt zu bekommen, ist jedoch eine Tatsache, mit der wir alle, unabhängig von beruflicher Qualifikation oder Stellung, leben müssen.

Die österreichische Gesellschaft ist von Vorurteilen geprägt, welche zum Beispiel durch mediale Berichterstattung, historische Entwicklung oder existentielle Ängste aufgrund der wachsenden Zuwanderung entstehen. Die US-amerikanische Akademikerin in Gegenüberstellung zur Nigerianerin ohne Ausbildung wäre eines davon. Sie wären überrascht, wie viele unserer Klientinnen eine fundierte Ausbildung mit sich bringen und an behördlichen Prozessen, nicht an beruflicher Kompetenz scheitern.

dieStandard.at: Welche längerfristigen Chancen sehen Sie für Ihr Projekt?

Beatrice Achaleke: Es ist klar, dass mit diesem Pilotprojekt die Probleme und Anliegen von schwarzen Frauen in Bezug auf das österreichische Gesundheitssystem nicht sofort gelöst werden können. Den Bedarf, dieses Projekt fortzuführen, bestätigt nicht nur die große Nachfrage sowohl seitens von schwarzen Frauen, als auch vom medizinischen Personal, sondern auch die Begeisterung mit der die Zielgruppe von Beginn bis zum Schluss arbeitete. Zudem sind in dieser Pilotphase des Projekts sehr viele Themen angerissen worden, die wir ganz gern aufgreifen und fortführen werden. Wir werden das Gesundheitstandem® schon fortsetzen. Vorerst wird nach dieser ersten Phase evaluiert und dann entschieden, in welcher Art und Form das Projekt fortgesetzt wird.

(e_mu)