Um die in Spanien angestrebte Gleichberechtigung der Geschlechter durchzusetzen, müsste für das vor wenigen Tagen geborene Mädchen des Thronfolgers Felipe die Konstitution geändert werden.

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Sechs Tage nach der Geburt ist die erste Tochter des spanischen Thronfolgers immer noch eine der Öffentlichkeit Unbekannte. Seit Prinz Felipe seine Frau Letitzia Ortiz am vergangenen Sonntag persönlich ins Spital chauffierte, harren hunderte Fotografen auf das erste Foto der Infantin, die von der königlichen Großmutter Sofia als "rundlich und pummelig" beschrieben wird; immerhin wird das bei der Geburt 47 Zentimeter kleine, jedoch 3,5 Kilogramm schwere Baby bereits als "künftige Königin Leonor" präsentiert.

Bevor es allerdings so weit ist, müssen Experten des Verfassungsrechts einen Widerspruch in Spaniens Konstitution lösen: während Artikel 14 die Gleichberechtigung von Mann und Frau garantiert, werden im Artikel 57, Abs. 2 im Fall der Thronfolge ausdrücklich Buben vor Mädchen gereiht.

So verdankt auch der drittgeborene Felipe diesem Paragrafen den Anspruch auf die Krone, während sich seine älteste Schwester Elena – im Gegensatz zu den Prinzessinnen anderer Länder – mit dem Titel Infantin zufrieden geben muss. Das soll sich ändern: Der sozialistische Premierminister José Luis Rodríguez Zapatero ist fest entschlossen, sein Wahlversprechen vom Ende der Diskriminierung der Frauen in Spanien auch für die Erbfolge im Haus der Bourbonen umzusetzen.

Neuwahlen notwendig

Das macht nach Gelehrtenmeinung allerdings eine Änderung der Konstitution notwendig – das ist ein komplexes und langwieriges Verfahren: Ist der Verfassungstext durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament angenommen, muss die Regierung zurücktreten und Neuwahlen ausschreiben; erst eine neue Regierung kann dann die Carta durch eine Volksabstimmung verabschieden lassen.

Als "gordischen Knoten" bezeichnen die Verfassungsexperten dabei die Wahrung von Felipes Rechten. Eine Änderung des Artikels 57,2 noch vor seiner Thronbesteigung "würde Schwester Elena automatisch an die erste Stelle in der Erbfolge rücken", meint Professor Perez Royo von der Uni Sevilla. Ein Aufschieben der Verfassungsreform aber könnte im Fall der Geburt eines männlichen Sprosses im Prinzenhaus zur Folge haben, dass Infantin Leonor um den Thron gebracht wird.

Nicht nur dem stolzen Vater bereitet das Baby bereits schlaflose Nächte. (DER STANDARD, Printausgabe, 5./6.11.2005)