München/Rom - Die CSU-interne Kritik an Parteichef Edmund Stoiber nimmt nach dessen Verzicht auf einen Ministerposten in der deutschen Bundesregierung weiter an Schärfe zu. Erste Landtagsabgeordnete der Christsozialen forderten Stoiber am Freitag auf, nun auch als bayerischer Ministerpräsident abzutreten. "Wenn man oft genug nur fast etwas geworden ist, dann kommt der Tag, wo es vielleicht nicht ganz dumm ist, wenn man sagt, okay, ich ziehe mich zurück", sagte Sebastian Freiherr von Rotenhan auf N24. Führende Christsoziale stellten sich grundsätzlich aber hinter den Parteichef. Seine Entscheidung zum Rückzug aus der geplanten Großen Koalition sorgt aber auch hier weiter für Kritik.

"Das geht nicht mehr"

Neben Freiherr von Rotenhan forderte auch der fränkische CSU-Abgeordnete Gerhard Wägemann den Rücktritt Stoibers als Ministerpräsident. "Mit Stoiber, das geht nicht mehr", sagte Wägemann der "Bild"-Zeitung. Am Rande einer bis Freitag andauernden Rom-Reise der Landtagsfraktion hatte es ebenfalls Kritik am Verhalten Stoibers gegeben. Der Chef der Frankenwald-CSU, Joachim Doppel, sagte der "Bild", Stoiber werde "nicht mehr ernst genommen, hat seine Autorität verloren und das Vertrauen verspielt". Er solle jetzt "den Weg frei machen". Wenn Stoiber 2008 wieder als Spitzenkandidat für die Landtagswahl antrete, verliere die CSU die absolute Mehrheit, warnte Doppel.

Personelle Neuaufstellung

Auch der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europaparlament, Markus Ferber, stellte Stoibers Eignung als Spitzenkandidat für die kommende Landtagswahl indirekt in Frage. "Wir müssen sicherstellen, dass wir 2008 mit dem bestmöglichen Kandidaten antreten", sagte er "Bild". Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sagte Ferber, der CSU-Chef habe seiner Partei zuletzt "sehr viel zugemutet". Er forderte eine inhaltliche und personelle Neuaufstellung der Christsozialen vor der nächsten Landtagswahl, damit die CSU dort wieder die absolute Mehrheit holen kann. "Da zitiere ich gerne das, was Stoiber immer sagt: 'Eine Partei, die sich nicht selbst erneuert, wird vom Wähler erneuert'."

Glos stellt sich hinter Stoiber<7b>

Der als Stoiber-Nachfolger gehandelte bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) kritisierte die Außenwirkung, die Stoibers Hin und Her mache. "Das ist natürlich für die normalen Leute schwer erträglich", sagte Beckstein N24. Die Menschen sähen, dass Deutschland Riesenprobleme habe. "Und dann geht's nur noch um Posten." CSU-Landesgruppenchef Michael Glos zeigte derweil Verständnis für die Kritik an Stoiber. Diese sei "ganz natürlich", sagte Glos am Donnerstagabend im ZDF. Dennoch rechne er mit weiterem Rückhalt für diesen in Bayern für die kommende Landtagswahl. Er könne sich "nicht vorstellen, dass der erfolgreiche Parteichef Edmund Stoiber, wenn er denn wieder antreten will, wovon ich ausgehe, von seiner eigenen Partei in Frage gestellt wird".

Im Interesse des Landes

Der Fraktionsvorsitzende der bayerischen CSU-Landtagsfraktion, Joachim Herrmann, rief in Rom nach Angaben eines Sprechers zur Geschlossenheit auf. Zwar ließen sich die "Irritationen nicht innerhalb weniger Tage wegreden", doch müsse man im Interesse des Landes zur Sachpolitik zurückkehren, sagte er seiner Fraktion vor dem Rückflug nach München. Während der dreitägigen Romvisite der Landtagsfraktion war schwerer Unmut über Stoibers Rückzieher von einem Berliner Ministeramt laut geworden.

Stoiber ist indes nach seinem dreitägigen Rom-Besuch nach Berlin zurückgeflogen. Dort sollte er am Freitag an den Gesprächen zur Regierungsbildung teilnehmen. Am Donnerstagabend waren Stoiber und die Fraktion mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zu einem Essen zusammengetroffen. Höhepunkt des Besuchs war eine Audienz bei Papst Benedikt XVI. gewesen. (APA)