Am Freitag hatten die Mandatare von SPÖ und Grünen erstmals Gelegenheit, sich in der Länderkammer so richtig in Szene zu setzen. Und die hat man auch genutzt – trotz scharfer Kritik seitens der ÖVP.

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Wien – Einer wollte mit der neuen Zeit und ihren Verhältnissen nichts mehr zu tun haben. "Ich spreche mit niemandem", ließ der ehemalige FP-Bundesrat John Gudenus wissen und hielt an seinem vorletzten Arbeitstag in der Länderkammer eisern Wort. Seinen wirklich letzten Auftritt wird Gudenus in der Sitzung am ersten Dezember haben. Am zweiten Dezember konstituiert sich der Wiener Landtag und die Freiheitlichen verlieren einen weiteren Sitz. Statt Gudenus und dem bisherigen Fraktionsführer Peter Böhm zieht dann der Wiener FP-Landesgeschäftsführer Harald Vilimsky in den Bundesrat ein.

Abseits solcher personellen Formalitäten vermittelten die Abgeordneten durchaus das Gefühl neu gewonnener Wichtigkeit. Zum ersten Mal verfügen SPÖ und Grüne in einer Parlamentskammer über eine Mehrheit, die sie auch prompt gegen die Regierung in Szene zu setzen suchten. Das Zukunftsfondsgesetz, mit dem übrig gebliebene Gelder aus dem Zwangsarbeiter-Entschädigungsfonds neu verplant werden sollen, wurde wie angekündigt beeinsprucht und wandert in den Nationalrat zurück. Damit ist das Gesetz zwar nicht verhindert, wird aber aller Voraussicht nach per Beharrungsbeschluss des Nationalrates beschlossen werden – wenn auch mit einiger Verzögerung.

"Machtrausch"

Genau diese Verzögerung wirft die ÖVP den Oppositionsparteien nun wütend vor. Von einem "Machtrausch" war die Rede, die VP-Mandatare mahnten nachdrücklich die Einhaltung alter Vereinbarungen ein. Im Jahr 1984 hätten sich die damaligen Klubobmänner der Parlamentsparteien darauf geeinigt, Vorlagen, die beeinsprucht werden, nicht zu vertagen, sondern in der nächsten Bundesratssitzung zu behandeln, betonte VP-Fraktionsführer Ludwig Bieringer. Die Vereinbarung habe für die ÖVP nach wie vor Gültigkeit, für die Opposition offenbar nicht.

SP-Fraktionsführer Albrecht Konecny konnte mit diesem Einwand nichts anfangen und begründete die Vertagungen und Fristsetzungsanträge erneut mit fehlender Begutachtung sowie notwendigen weiteren Beratungen. Zudem hielt er fest: "Es gibt keine Vereinbarung, die unabhängig von den Rahmenbedingungen Bestand hat." Grünen-Fraktionsführer Stefan Schennach ergänzte, dass der Grüne Klub bei der Vereinbarung gar nicht dabei war, weil es ihn damals noch nicht gegeben habe.

Am Ende wird's eng

Die Geschichte der Bundesrats-Einsprüche ist jedenfalls lang: Von 1945 bis 1966 brachte es die FPÖ, beziehungsweise deren Vorgängerorganisation VdU, auf 26 aufschiebende Vetos; während der VP-Alleinregierung zwischen 1966 und 1970 waren es immerhin 12. Umgekehrt ließ man die rot-blaue Koalition zwischen 1983 und 1986 nicht ganz so ungestört arbeiten: Ganze 47-mal erhob die ÖVP gegen ein von der Regierung geplantes Gesetz Einspruch. Einzig beim Weinwirtschaftsgesetz hat die SPÖ daraufhin Änderungen vorgenommen, alle anderen Vetos wurden mittels Beharrungsbeschluss übertrumpft. Nur das ebenfalls beeinspruchte Gesetz über den Karenzurlaub für Väter wurde mangels Erledigung durch den Nationalrat verwirkt.

Ein ähnliches Szenario könnte der schwarz-orangen Koalition gegen Ende der Legislaturperiode Probleme bereiten. Tritt der Nationalrat nicht mehr zusammen (und kann somit keinen Beharrungsbeschluss vornehmen), könnte das Nein der Länderkammer ein endgültiges sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.11.2005)