Wien - Die SPÖ wird einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Visa-Affäre beantragen. Das kündigte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim am Donnerstag gegenüber der APA an. "In einer der nächsten Sitzungen" werde ein entsprechender Antrag eingebracht.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Außenministerin Ursula Plassnik (beide V) warf Jarolim Untätigkeit vor. In einer solchen Situation müsse blitzartig agiert und das offenbar bestehende Netzwerk abgestellt werden - zumal die österreichische EU-Präsidentschaft bevorstehe. Das Außenministerium tue aber weiterhin so, als sei die Visa-Affäre kein Thema und als handele es sich um Einzelfälle.

"Unvorstellbar"

Es sei für ihn "unvorstellbar", dass Schüssel nicht schon vor Jahren über einen möglichen Visa-Handel an österreichischen Auslandsvertretungen informiert worden sei, sagte Jarolim. Er verwies dabei auf den früheren oberösterreichischen Landtagsabgeordneten Helmut Edelmayr (S), der die ehemalige Außenministerin und jetzige EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner - nach eigenen Angaben im Mai 2002 - von einem Visa-Handel an der Botschaft in Belgrad informiert hatte. In eine Angelegenheit von solcher Bedeutung werde der Regierungschef selbstverständlich eingeweiht, so Jarolim.

Unterdessen meldete ProSieben Austria in einer Aussendung, an der Belgrader Botschaft habe es seit mindestens 1994 "eklatante Missstände" gegeben. Nicht nur der Handel mit Visa, auch "mysteriöse Veranlagungen, dubiose Waffeneinlagerungen und Kollaboration" mit dem Regime des ehemaligen jugoslawischen Staatschefs Slobodan Milosevic seien der Botschaftsleitung vorgeworfen worden. Damals schon sollen Ferrero-Waldner, zu diesem Zeitpunkt Staatssekretärin im Außenamt, und Schüssel, damals Außenminister, über den "Sumpf" Bescheid gewusst haben.

ProSieben Austria beruft sich dabei auf einen nicht näher genannten ehemaligen Nationalratsabgeordneten, der offenbar der FPÖ angehörte. Dieser Parlamentarier will laut Aussendung Schüssel und Ferrero-Waldner auch zum Handeln aufgefordert haben. Aber das "System Außenministerium" habe alle Aufdecker verfolgt und die Schuldigen geschützt, heißt es.

Die Visa-Affäre war Ende September durch Vorgänge in Budapest aufgeflogen. Ein aktiver Diplomat aus dem konsularischen Dienst und ein pensionierter Mitarbeiter der Konsularabteilung wurden im Zuge der Ermittlungen festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, in den Jahren 2002 und 2003 Visa gegen Entgelt ausgestellt zu haben. Insgesamt sitzen laut Staatsanwaltschaft vier Personen in Haft, es wird auch gegen drei Firmen ermittelt, die falsche Einladungen ausgestellt haben sollen.

Inzwischen hat sich die Affäre auch auf die Vertretungen in Belgrad, Bukarest, Kiew und offenbar auch Kairo ausgeweitet. Auch sollen durch einen inzwischen angeklagten österreichischen Ex-Konsul in Nigeria hunderte, wenn nicht tausende nigerianische Staatsbürger gefälschte Visa erhalten haben. (APA)