Frage eines Kameramannes an den Sprecher von Sozialministerin Ursula Haubner: "Ich habe unregelmäßige Arbeitszeiten, Stress, muss die schwere Kamera tragen. Warum bin ich kein Schwerarbeiter?" - Solche Fragen wird Haubner noch oft zu hören bekommen. Denn ihr unbeirrtes Festhalten am Vorhaben, Schwerarbeit über Berufslisten und Kalorienverbrauch zu definieren, führt unweigerlich dazu, dass sich echte und vermeintliche Schwerarbeiter ungerecht behandelt fühlen. Das Grundproblem im ganzen Kuddelmuddel um die Schwerarbeiterlösung liegt aber anderswo: Mit dem Plan, schwer arbeitenden Menschen den Weg in die Frühpension zu ebnen, setzt Haubner die unselige österreichische Tradition fort, alle Ungerechtigkeiten des Sozialsystems auf die Pensionsversicherung abzuschieben. Ein Paradebeispiel für diese Tradition ist das Frauenpensionsalter: Frauen verdienen viel weniger als Männer, außerdem hapert es bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie - also dürfen sie früher in Pension gehen als Männer. Das ist weder logisch noch gerecht. Denn: Steigen dadurch die Fraueneinkommen? Gibt es dadurch auch nur um einen Kinderbetreuungsplatz mehr? Eben. Im Gegenteil: Das niedrige Pensionsalter gilt Politikern teils als Beruhigungspille, um nichts gegen Lohnunterschiede unternehmen zu müssen. Ähnlich ist es bei Schwerarbeit: Natürlich soll, wer durch schwere Arbeit gesundheitlich angeschlagen oder gar krank ist, in den Ruhestand gehen können - dafür gibt es aber die Sonderpensionsformen wegen Invalidität oder Berufsunfähigkeit, unabhängig von Listen oder Kalorien. Für Ungerechtigkeiten wie schlechte Bezahlung (etwa im Pflegebereich) oder gefährliche Umstände (etwa Wachdienst) ist aber die generelle Frühpension die falsche Belohnung. Da wären die Kollektivvertragspartner gefragt, gerechtere Modelle zu entwickeln. Komplizierter als die Suche nach einer Schwerarbeiterlösung wäre das auch nicht. (DER STANDARD, Printausgabe, 04.11.2005)