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Innenminister Sarkozy ist wegen seiner umstrittenen Aussagen unter Beschuss.

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Ein Polizist vor einem Autohaus, das in der Nacht auf Donnerstag in Brand gesteckt worden war.

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Bobigny - Die Unruhen in den Pariser Vororten sind in der Nacht zum Donnerstag eskaliert. Erstmals wurden die zu Tausenden eingesetzten Sicherheitskräfte aus den Reihen der Randalierer heraus beschossen. Zudem griff die Gewalt auf weitere Viertel über. Jugendliche und Polizei lieferten sich gleichzeitig in neun Trabantenstädten der Metropole Straßenschlachten. Die französische Regierung bemühte sich, ihren Streit über das angemessene Vorgehen gegen die Gewalt beizulegen. Kritiker warfen Innenminister Nicolas Sarkozy vor, die Unruhen dadurch angeheizt zu haben, dass er die Randalierer als Abschaum der Gesellschaft bezeichnet hatte.

Die Polizei registrierte an drei Orten Schüsse auf Beamte und Einsatzkräfte der Feuerwehr, durch die niemand verletzt wurde. "Vier Kugeln wurden abgefeuert", sagte Jean-Francois Cordet, als Präfekt der oberste Regierungsvertreter in der betroffenen Region Seine-Saint-Denis. Zwei Schüsse galten demnach in La Courneuve Beamten der Sicherheitskräfte. In den Vorstädten Noisy-le-Sec und in Saint Denis wurde je ein Schuss auf Mitarbeiter der Feuerwehr abgegeben. Cordet machte keine Angaben dazu, welche Waffen benutzt wurden. Örtlichen Medien zufolge wurden in La Courneuve Hülsen von Gewehrpatronen gefunden.

Polizei befürchtet Verschärfung der Lage

Vertreter der Polizei nannten die Situation dramatisch. "Das ist sehr ernst und wir befürchten, dass die Ereignisse heute Nacht noch schlimmer werden", sagte der Generalsekretär der Polizeigewerkschaft UNSA, Francis Masanet. Ein anderer Gewerkschaftsvertreter sprach sogar von einem Bürgerkrieg. Er forderte Sarkozy auf, eine nächtliche Ausgangssperre zu verhängen, damit die Gewalt nicht außer Kontrolle gerate. Kritik an der Polizei

Die meisten Randalierer stammen aus eingewanderten afrikanischen Familien. Sie sind arbeitslos ohne Aussicht auf eine Beschäftigung und fühlen sich von der französischen Gesellschaft ausgeschlossen. "Es liegt an der Polizei, dass sich das so entwickelt", sagte ein schwarzer Jugendlicher in Bobigny. "Sie gehen viel zu brutal vor. Das ist nicht ihre Aufgabe."

Sarkozy hatte für die Nacht zu Donnerstag zusätzliche 2000 Polizisten in die Vorstädte geschickt, um die Unruhen zu unterbinden. Cordet zufolge wurden während der Straßenschlachten vier Polizisten und zwei Feuerwehrmänner verletzt. Einer von ihnen erlitt Verbrennungen im Gesicht, als er von einem Brandsatz getroffen wurde. 29 Menschen wurden den Angaben zufolge festgenommen, davon blieben vorerst 23 in Gewahrsam.

Alltag beeinträchtigt

Die Ausschreitungen beeinträchtigten zunehmend auch das Alltagsleben in den Vorstädten. "Wir gehen deswegen nicht zur Schule", sagte eine Jugendliche aus Blanc-Mesnil. "Die ganze Luft ist verpestet, wir können nicht einmal richtig atmen und ich habe Asthma." In Bobigny fegten Mitarbeiter eines Supermarktes die Scherben zusammen, die von der Randale zeugten. "Wenn das so weitergeht, muss ich meinen Laden zumachen", sagte ein Schuster. "Die Leute haben Angst und kommen nicht. Normalerweise sind um diese Zeit hier viele Menschen unterwegs." Villepin berät mit Abgeordneten aus den Vorstädten

Ministerpräsident Dominique de Villepin beriet mit Abgeordneten aus den Unruhe-Vierteln über die Gewalt. Nach einem offenen Streit über die angemessene Reaktion auf die Gewalt demonstrierte er zudem durch ein Arbeitsessen mit Sarkozy Einigkeit. Beide Politiker gaben danach keine Erklärung ab. Sarkozy hatte ein Vorgehen ohne Toleranz gegen die Krawalle gefordert. Villepin hatte sich dagegen von dessen Äußerung über die Randalierer distanziert und betont, die betroffenen Wohngebiete dürften nicht stigmatisiert werden.

Auch der Minister für Chancengleichheit, Azouz Begag, und der Minister für gesellschaftlichen Zusammenhalt, Jean-Louis Borloo, wiesen die Bemerkung Sarkozys zurück. "Es sollte keiner auch nur für eine Sekunde auf die Idee kommen, dass so das Leben in den Vierteln aussieht", sagte Borloo einem Fernsehsender. Sarkozy gilt als starker Mann der französischen Konservativen und ist im Streit um die Nachfolge von Präsident Jacques Chirac ein Rivale Villepins. Der Ministerpräsident wiederum zählt zum engeren Kreis um Chirac. Die Präsidentenwahl steht 2007 an. (Reuters)