Jocelyn Hellig, die Kuratorin der Ausstellung "Seeking Refuge" (Auf der Suche nach Zuflucht), hatte ein Jahr lang Familien interviewt, Dokumente aufgespürt und Bilder zusammengetragen. Bei der Eröffnungsveranstaltung unter einer mächtigen Eiche in dem mit afrikanischen Ndebele-Ornamenten bemalten Atrium des Johannesburger Goethe-Instituts war am Mittwochabend viel von Brückenschlag die Rede, aber auch von Zwiespalt und Emotion. "Es wird Zeit - es sind nicht mehr viele von uns übrig", mahnte der frühere südafrikanische Botschafter in den USA, Harry Schwarz. Als Siebenjähriger war er 1934 aus seiner Heimatstadt Köln geflohen.
Aufarbeitung
"Für einige der Befragten war es eine traumatische Erfahrung, ihre Geschichte zu erzählen", sagt Kuratorin Jocelyn Hellig. Sie sieht die Ausstellung als Beginn einer Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Juden in Südafrika: "Es ist ein Kapitel, das auch hier bisher nicht so recht bekannt ist." Das Ergebnis ihrer Arbeit sind 35 Biografien von jüdischen Flüchtlingen aus Großstädten wie Berlin, München, Hamburg und Düsseldorf oder Orten wie Landau, Soest, Ermershausen oder Frankfurt an der Oder. Auch aus Österreich geflohene Juden gehörten zu denjenigen, die sich an Afrikas Südspitze eine neue Existenz aufbauen mussten.
Neubeginn
Nur wenigen war gelungen, was der verstorbene Ehemann der Literatur-Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer, Reinhold Cassirer, schaffte: für den Neustart ein paar wertvolle Gegenstände aus Nazi-Deutschland heraus zu schmuggeln. Viele fingen bei Null an, schlugen sich mehr schlecht als recht mit dem Mut der Verzweiflung und viel Improvisationsgeschick als Farmmanager, Lastwagenfahrer oder Kaufmann durch. Andere, wie Emmily Cohns Vater, hatten in der Heimat als Arzt gearbeitet und fassten schneller Fuß. 1936, bei den Olympischen Spielen, hatte er den Beschluss zur Flucht gefasst. "Er wollte schon 1933 gehen, aber meine Mutter wandte damals ein, dass sie ohne Geld mit einem Kind nicht weg können" sagt die 84-Jährige, die später in Südafrika den aus Wien geflohenen Ernst Wenger heiratete.