Hamburg/Frankfurt - Marcel Reich-Ranicki hat eine von Martin Walser angedrohte Klage durch eine Unterlassungserklärung abgewendet. Der Literaturkritiker Reich-Ranicki hatte dem Schriftsteller in einem Interview mit polemischen Worten Antisemitismus unterstellt. Jetzt hat er sich dazu verpflichtet, diese Passage nicht zu wiederholen. Das sagte der kaufmännische Leiter des Rowohlt Verlags, Eckhard Kloos, am Mittwoch in Hamburg. Reich-Ranicki habe eine entsprechende Unterlassungserklärung unterzeichnet.

Reich-Ranicki hatte in einem Interview mit der Zeitschrift "Bunte" über Walser gesagt: "Er hat, sinngemäß, geschrieben, dass die Juden, die den Holocaust überlebt haben, allein durch ihre Existenz ihren deutschen Zeitgenossen das Leben schwer machen. Mit anderen Worten: Er verübelt Juden, dass sie überlebt haben. Das ist durchaus kein Antisemitismus, das ist schon Bestialität". Am Mittwoch sagte er: "Das Wort 'Bestialität' wird beanstandet. Das ist für mich kein Problem, das zurückzunehmen. Überhaupt kein Problem." Der Literaturkritiker wollte sich offiziell erst am Donnerstag zu dem Papier äußern.

"Ausraster"

Vertreten wird Walser vom Juristen des Rowohlt Verlags, in dem seine Bücher erscheinen. Kloos kritisierte die Äußerungen des Literaturkritikers scharf. "Kein Kritiker darf einen Schriftsteller der Bestialität zeihen", betonte er. Er sprach von einem "Ausraster", der nichts mit Kritikereigenschaften zu tun habe. Reich-Ranicki begebe sich in einen Bereich der "Beleidigungen und menschlichen Missachtung", der nicht hinzunehmen sei.

Walser sieht sich seit der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1998 immer wieder mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert. In seiner Dankesrede hatte er sich gegen die "Instrumentalisierung" von Auschwitz und die ständige Thematisierung des Holocaust als "Moralkeule" gewandt. Eine heftige Kontroverse löste Walser 2002 mit seinem Roman "Tod eines Kritikers" aus, in dessen Hauptfigur Reich-Ranicki zu erkennen ist. (APA/dpa)