Was wie ein Witz klingt, soll in Kürze rechtlich auf den Weg gebracht werden. Der Grund ist, dass die Gelder aus dem Bundestopf sehr ungleich verteilt sind.

Bozen/Rom – Lamon ist vor‑ allem für seine ausgezeichneten Bohnen bekannt. Doch das italienweite Interesse an der Berggemeinde in den südlichen Dolomiten gilt seit Montag nicht ihren gastronomischen Vorzügen. Die 3800 Einwohner des Ortes haben sich am Wochenende in einer Volksabstimmung mit einer Mehrheit von 93 Prozent für eine Abtrennung von Venetien und den Anschluss an das reiche Trentino entschieden.

Das Referendum bleibt vorerst nichts weiter als eine Willensäußerung. Doch der Prä^sident der Region Venetien, Giancarlo Galan, nutzte es zu einem Akt der Provokation: "Wir werden den Anschluss an Trentino-Südtirol fordern. Den entsprechenden Beschluss wird der Regionalrat bereits in Kürze fassen." Jene, die an einen Witz glaubten, belehrte der Berlusconi-Intimus eines Besseren: "Eine Juristenkommission wird das Verfahren festlegen. Wir fühlen uns ungerecht behandelt. Wir wollen an dem Geldfluss 2. Spalte teilhaben, der nach Südtirol und ins Trentino fließt. Die beiden Provinzen haben gerade ein Fünftel unserer Einwohner und erhalten fast gleich viel wie wir."

Galans Stellvertreter, Luca Zaia von der Lega Nord, warf Rom vor, Trentino und Südtirol wie Fürstentümer zu behandeln: "Die haben das Privileg, 92 Prozent der Steuern zu behalten, und gewähren Zuschüsse für Balkonblumen", wetterte Zaia. Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder wertete die Volksabstimmung in Lamon als Ausdruck der Vernachlässigung der Berggemeinden: "Während wir uns sehr wohl um die Peripherie kümmern, denkt man im Veneto besonders an die städtischen Ballungsräume."

In den Berggebieten Venetiens schielt man immer mehr nach den autonomen Regionen Trentino-Südtirol und Friaul-Julisch Venetien. In Cortina d'Ampezzo und in der ladinischen Gemeinde Livinallongo (Buchenstein) wird immer lauter ein Anschluss an Südtirol gefordert. In der dortigen Ladinervereinigung Ul 3. Spalte da (Unione dei Ladini d'Ampezzo) pflegt man gerne altösterreichische Reminiszenzen. Cortinas Bürgermeister Giacomo Giaccobbi warnt die Regionalregierung in Venedig davor, die autonomistischen Tendenzen in den Berggemeinden zu unterschätzen.

Durnwalder will solche Bestrebungen "weder fördern noch bremsen". Vergeblich warnt er vor einem simplen Budget-Vergleich: "Wir haben mehr Geld, aber auch viel mehr Zuständigkeiten." Der friulanische Präsident Riccardo Illy unterstellt Galan eine "Milchmädchenrechnung". Doch die Diskussion über "den Reichtum der bevorzugten Fürstentümer" ist nicht mehr aufzuhalten. Ex-Gesundheitsminister Raffaele Costa (Forza Italia) spricht aus, was vor allem im Rechtsbündnis viele denken: "Im Zug der föderalistischen Reform müssen alle Privilegien in Bozen und Trient fallen." (DER STANDARD, Printausgabe, 3.11.2005)