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Foto: Reuters/Bensch
Da CSU-Chef Edmund Stoiber doch lieber in München bleibt, hatte CDU-Vorsitzende Angela Merkel kurzfristig eine Stelle in ihrem noch nicht existierenden Kabinett zu vergeben. Sie musste nicht lange überlegen. Den Bayern Michael Glos, der seit zwölf Jahren die derzeit 46-köpfige CSU-Landesgruppe in der Unions-Bundestagsfraktion anführt, hätte sie ohnehin gerne als Verteidigungsminister in ihrem Team gehabt. Jetzt wird der 60-jährige Franke eben Wirtschaftsminister, wenn es denn zu einer großen Koalition kommt.

Die Kommentierung von deutschen Wachstumsprognosen könnte somit künftig eine eher launige Veranstaltung werden. Denn Glos ist ein brillanter Redner, der statt des Floretts allerdings gerne den Säbel verwendet. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat ihn im Bundestag einmal als "Büttenredner" bezeichnet, was durchaus anerkennend gemeint war.

"Zu Wasser, zu Lande und in der Luft" müsse man den Sozialismus bekämpfen, sagt Glos etwa. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hat er im Bundestag im Zuge der Visa-Affäre als "Zuhälter" bezeichnet, weil nach Glos' Ansicht durch Fischers Visa-Politik die Zwangsprostitution begünstigt worden ist. Überhaupt reibt sich Glos gerne an den Grünen. Von ihm stammt auch die Aussage, über schwarz-grüne Bündnisse brauche man überhaupt nicht nachdenken, solange "Öko-Stalinisten" und "ehemalige Terroristen" wie Fischer und Umweltminister Jürgen Trittin dort das Sagen hätten. Aber auch die Bewertung rot-grüner Politik fällt kurz und kernig aus: "Der Haushalt ist Murks, das Vertrauen verspielt, das Kapital vernichtet."

Als ministrabel gilt Glos schon länger, obwohl er sich nie um ein Regierungsamt gerissen hat. Er gehört zu den mächtigsten Politikern in der CSU und hat großen Einfluss in Berlin. Obwohl Glos als Stoibers Statthalter die bayerische Bastion in der Hauptstadt verteidigt, ist er seinem Chef nicht blind ergeben. Auch Merkel schätzt den gelernten Müllermeister, der auch einer ihrer Stellvertreter in der Fraktion ist, wenngleich Glos sie mit seiner Kritik ebenfalls nicht verschont. Anfang des Jahres warf er ihr etwa mangelnden Teamgeist vor.

Wenn Glos (zwei Kinder, drei Enkel) Minister wird, dann hat er wieder mehr mit jenen Themen zu tun, die den Beginn seiner politischen Tätigkeit im Bundestag geprägt haben: Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die Probleme des Mittelstandes kennt er aus eigener Erfahrung: "Der Michel" war zehn Jahre alt, als sein Vater starb. Er musste also schon bald Verantwortung in der elterlichen Mühle übernehmen. Übertrieben eitel ist Glos nicht. Als Deutschland diskutierte, ob Schröders Haarfarbe nun echt sei, gab der Bayer offen zu, dass ihm seine Frau die Haare färbt. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.11.2005)