Bei Konturen einer Heimat handelt es sich um einen Dokumentarfilm, welcher im September 2005 in Brasilien gedreht wurde. Handlungsort des Filmes ist eine Tiroler Kolonie, welche als Folge eines transatlantischen Migrationstroms des Jahres 1857 erhalten blieb.

Als ab 1850 Brasilien auf Druck Englands die Einfuhr afrikanischer Sklaven aufgeben musste und daher um Landarbeiter im Sinne der eigenen Kolonialpolitik warb, forcierte Erzherzogin Leopoldina von Brasilien, Tochter von Kaiser Franz dem 1. von Österreich, die Einwanderung und Ansiedlung ihrer Landsleute.

Bedingt durch Isolation, doch auch seit einer anhaltenden Wirtschaftskrise in den dreißiger Jahren nach einem anfänglichen Wohlstand durch Kaffeeproduktion, hatte die Tiroler Kolonie beinahe 150 Jahre seit ihrer Gründung in einer isolierten Form im Hochland nahe St. Leopoldina im brasilianischen Bundesstaat Espirito Santo überdauert - zeitgleich zu geschichtsweisenden Spannungen und Transformationen im alten Europa und insbesondere einer einprägsamen Rolle Österreichs in der neueren Zeitgeschichte, vom Ausklang der Monarchie über den Nationalsozialismus zur Gründung der Zweiten Republik.

Mitte der 60er Jahre gewann die Colônia Tirol durch den Völkerkundler Karl Ilg wieder zunehmend an Aufmerksamkeit. Sein Hauptinteresse galt vor allem der Erhaltung des Deutschtums und der deutschen Sprache in jenen Enklaven. Er bestimmte deutschsprachige Lehrer und trug Sorge, das unter anderem die Colônia Tirol mit Deutschbüchern beliefert wurde. Davon erhoffte sich Karl Ilg einen Aufschwung „in dieser lange genug vergessenen Kolonie, soweit er noch möglich ist.“

Mit welchen kulturellen Codes, mit welchen Projektionen ihrer Entdecker sahen sich die Tropentiroler konfrontiert? Es hat den Anschein als ob die BewohnerInnen der Colônia Tirol ihre Stigmatisierung bis zur Wiederentdeckung in sich getragen haben. So wird das Stigma mit dem Auftauchen der „echten Tiroler“ seit den 60er Jahren immer wieder sichtbar.

Diese „wiederentdeckten“ Tiroler gelten heute offiziell als Brasilianer und doch scheint die „alte Heimat“ den Anspruch auf deren Zugehörigkeit beizubehalten und zu fördern. Darin finden sich vor allem die Verortungen einer Kultur, die sich selbst in exportierten Stereotypen zu finden sucht. Eine ungereifte Selbsthinterfragung verschwimmt im Anderen – einer Appropriation als Ablenkungsmanöver -Kitsch statt Katharsis.

An welchem der Orte ist diese „ursprüngliche“ Kultur noch – oder erneut - authentisch? Der Dokumentarfilm von Danesch und Rych stellt eine vermeintliche konservierte Kultur einer Verlagerung von „eigener“ Kultur in den Raum des „Anderen“ gegenüber.

Claude Lévi-Strauss kam zu der Ansicht, dass "...wir, die Menschen, kulturell enteignet, fortan alle Indianer“ seien. „...Wir sind im Begriff, uns selbst zu dem zu machen, was wir aus ihnen gemacht haben." Permanent auf der Suche nach unberührten Kulturen entdeckte Levi-Strauss in Traurige Tropen 1955 vor allem das Schwinden jener ursprünglichen Kulturen.

Wie das Andere uns näher kommt, werden wir uns selbst zum Anderen - „Lebt wohl Wilde! Lebt wohl, Reisen!"

Das Selbstverständnis von Emanuel Denesch und David Rych

Als polymediale Künstler im weitesten Sinn, umfassen ihre Projekte und Dokumentarfilme Themenkreise kultureller, ökonomischer und politischer Transformation. Sie waren bei zahlreichen Ausstellungen und Festivals im In- und Ausland vertreten, u.a. wiederholt in Kollaboration mit anderen Künstlern.