Die einstige Kämpferin gegen die Somoza-Diktatur, Gioconda Belli, schrieb ein Buch über Juana von Kastilien.

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Graz - "Ich wage es", waren die Worte, die sie auf ihr Wappen geschrieben hatte. Johanna, Königin von Kastilien (1479-1555), an die sich die Geschichte wenig schmeichelhaft als "Johanna, die Wahnsinnige" erinnert, hat viel gewagt und verbrachte dafür den Großteil ihres Lebens in ihrem Palast eingesperrt.

Eine Frau, die ihrerseits als Sandinistin in den Siebzigerjahren in Nicaragua viel gewagt hatte und half, 1979 die Diktatur von Anastasio Somoza zu stürzen, setzte "Juana" ein literarisches Denkmal. Mit dem Manuskript der Verführung (Peter Hammer Verlag), das seit Kurzem in Österreich erhältlich ist, hat die 56-jährige Gioconda Belli der "starken, feurigen Frau Johanna späte poetische Gerechtigkeit geschehen lassen", wie sie dem STANDARD erzählt.

Einer Einladung des Afro-Asiatischen Instituts folgend, las Belli in der Aula der Uni Graz aus dem neuen Werk. Dass sich die PR-Fachfrau, die in den USA Journalismus, Werbung und Literatur studiert hatte, nach erotischen Liebesgedichten und Romanen wie dem autobiografischen Text Die bewohnte Frau oder ihrer Lebensgeschichte Die Verteidigung des Glücks einem historischen Stoff zuwandte, geschah aufgrund "einer Serie aus Zufällen". In Bellis Roman erzählt ein Unidozent der Schülerin Lucia in einer Madrider Klosterschule die Geschichte Johannas und verführt die junge Frau dabei - nicht nur in eine andere Zeit.

Hinter grauen Mauern

"Ich ging in diese Schule in Spanien. Schon vor vielen Jahren dachte ich, dass dieser Ort die perfekte Kulisse für einen Roman wäre. Die großen, grauen Mauern und diese ganze Atmosphäre für ein junges Mädchen, das darin eingesperrt ist. Ich war damals sehr einsam und traurig, ich war ja erst 14 Jahre alt, weit weg von meiner Familie", erinnert sich Belli an die Tochter aus gutem nicaraguanischen Haus, die sie einst war, um scherzend hinzuzufügen: "Und ich wurde dort nicht einmal verführt!" Viel später sah Belli ein Bild Juanas, von der sie bis dahin nur die Legende von der aus Liebe dem Wahnsinn Anheimgefallenen kannte. "Als ich mich mit ihrer Biografie beschäftigte, war ich über die Ungerechtigkeit erstaunt, die dieser Frau widerfahren war."

Belli - die in den späten Sechziger- und Siebzigerjahren drei Kinder bekam, Guerilleros zu Hause versteckt hielt und Geld, Dokumente und Waffen für die Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) schmuggelte - identifizierte sich während der dreijährigen Recherche über die Frau Philipps des Schönen, immer mehr mit ihr. "Ich, als Frau aus Lateinamerika, kann sie verstehen, weil ich in Diktaturen lebte und unter dem gleichen Machismo litt".

Frei nach Virginia Woolf glaubt Belli, dass "eine feurige Frau mit Talenten im 16. Jahrhundert als Verrückte oder Hexe galt". Machismo wirft Belli nicht nur der Diktatur Somozas vor, die mit der sandinistischen Revolution 1979 beendet wurde. Sie fühlte sich auch innerhalb der FSLN, für die sie nach 1979 verschiedene Ämter in der Regierung innehatte, als Frau unter dem - seit 1990 in die Opposition verbannten - sandinistischen Präsidenten Daniel Ortega nicht immer ganz wohl.

Der "Feind" im Ehebett

Heute lebt die Autorin in dritter Ehe ausgerechnet mit einem Amerikaner, einem Filmproduzenten, mit dem sie ihr viertes Kind, eine heute elfjährige Tochter, adoptierte. Gefragt, wie man sich gleichzeitig in Managua und Los Angeles daheim fühlen könne, meint Belli: "Ich fühle mich in den USA nicht zu Hause. Ich lebe in Nicaragua und schreibe in den USA. Nicaragua ist meine Liebe, meine Heimat, in den USA habe ich Freunde und meinen Mann".

Natürlich seien die USA, die ihre Heimat durch Wirtschaftsembargos und die Finanzierung von Kontrarebellen stark beeinflusst haben, interessant für sie: "Es ist wichtig zu verstehen, wie dieses Land funktioniert, aber es war schwer, dort zu leben".

Im Dezember wird Belli ihr Hauptquartier aber nach vielen Jahren wieder in Managua aufschlagen. "Ich tue das auch, weil wir in Nicaragua 2006 Präsidentschaftswahlen haben. Was in Nicaragua derzeit geschieht, hat große Ähnlichkeiten mit dem Netz an Intrigen, denen Johanna zum Opfer fiel. Es sind machiavellische Tricks, die zwei Männer hier anwenden, um sich gegenseitig die Macht im Land zu sichern." Gemeint sind der einstige Companero Daniel Ortega und der wegen Korruption verurteilte ehemalige Präsident der rechtsliberalen Partei, Arnoldo Alemán.

Umfragen

Dass im nächsten Jahr Ortega an die Macht zurückkehren könnte, glaubt Belli, die schon bei der Wahl 2001 gegen seine Wahl auftrat, nicht. "Wir bauen an einer neuen Alternative mit dem ehemaligen Bürgermeister von Managua, Herty Lewites." Wären heute Wahlen, so Belli, wäre Lewites laut Umfragen der Sieger. Sein Potenzial dürfte auch Ortega kennen: Er schloss Lewites aus der FSLN aus, als dieser seine Kandidatur verkündete. "Herty hat die Unterstützung alter Führer unserer Revolution: Henry Ruiz, Luis Carrión und viele andere". Aber auch die Dichterkollegen Sergio Ramirez und Ernesto Cardenal werden wieder an Bellis Seite für eine neue Politik streiten. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2005)