Eine Entgleisung Silvio Berlusconis während seines Besuchs in Washington sorgt in Italien für neuen Zündstoff. Nach einem Gespräch mit dem US-Präsidenten erklärte Berlusconi, Bush fürchte einen Wahlsieg der Linken und den Abzug der italienischen Truppen aus dem Irak. "Ich habe meinem Freund Bush versichert, dass ich die Wahlen gewinnen werde", erklärte Berlusconi auf einer Pressekonferenz in der italienischen Botschaft in Washington.

"Angelegenheit des italienischen Volkes"

Das Weiße Haus dementierte die Darstellung des Premiers. "Die USA mischen sich nicht in die inneren Belange souveräner Staaten ein. Die Wahlen sind eine Angelegenheit des italienischen Volkes", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates Fred Jones. Berlusconi relativierte anschließend seine Äußerung. Es sei klar, dass ein Sieg des Linksbündnisses eine Wende in der italienischen Irak-Politik bedeute und daher in Washington nicht erwünscht sei. Einen Tag vor seiner Abreise hatte der Premier erklärt, er habe Bush "vor Beginn des Irakkriegs von einer militärischen Intervention abgeraten". Das Weiße Haus hatte diese Äußerung mit Befremden aufgenommen und eine gemeinsame Pressekonferenz abgesagt.

Kriegsgrund

Die Opposition bezichtigte den Premier der Lüge. Er habe "Italien zum wiederholten Mal blamiert", kritisierte der Präsident der Linksdemokraten Massimo D'Alema. Es handle sich um "die letzten Propagandalügen einer schiffbrüchigen Regierung". Zur Affäre um die Erstellung des Niger-Irak-Dossiers durch den italienischen Geheimdienst nahm Berlusconi nicht Stellung. Es handle sich um eine "reine Erfindung". Das gefälschte Dossier über Saddam Husseins Absicht, im Niger Uran zu kaufen, war von Bush als Kriegsgrund genannt worden. Enthüllungen der Repubblica über die Aktion des Geheimdienstes Sismi haben die Regierung in den letzten Tagen in Bedrängnis gebracht. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2005)