Duschanbe/Wien - In Tadschikistan werde es keine Fortsetzung der bunten Revolutionen geben, sagt der tadschikische Außenminister Talbak Nazarov. Auch Oppositionsführer Muhiddin Kabiri von der Partei der Islamischen Wiedergeburt (IRP) bescheinigt im Gespräch mit dem STANDARD den Tadschiken nach dem Bürgerkrieg in den 90er-Jahren, der zehntausende Menschenleben gefordert hat, Revolutionsmüdigkeit. Man habe auf die harte Tour gelernt, dass Probleme, wenn nur irgendwie möglich, durch Verhandlungen gelöst werden müssen.

"Unsere Generation greift nicht mehr zu Waffen", sagt er, "aber für die späteren gibt es keine Garantien". In der mangelnden Freiheit sieht Kabiri die Wurzeln des Radikalismus, nicht im Islam, den die regionalen Regime fürchten.

Kabiri ist zwar eigentlich hinter Said Abdullo Nuri nur IRP-Vizechef, durch die Erkrankung Nuris führt er jedoch die Geschäfte und wird von Beobachtern für den zukunftsträchtigsten Politiker des Landes gehalten.

Tadschikistan ist die einzige zentralasiatische Republik mit einer legalen islamischen Partei. Laut dem Friedensvertrag nach Bürgerkriegsende 1997 hätte sie an der Regierung mit einer Quote von 30 Prozent beteiligt werden müssen, was nicht eingehalten wird, trotzdem bemüht man sich um Kompromisse. Die IRP, die auch einen Spaltungsprozess durchgemacht hat, grenzt sich selbst ideologisch von den radikalen islamischen Bewegungen in der Region - die wichtigste ist die Hizb ut-tahrir (Befreiungspartei) - ab. Als Modell nennt Kabiri die islamische Regierungspartei in der Türkei.

Personen, die im Verdacht stehen, sich verboten islamistisch-politisch zu betätigen, werden in Tadschikistan verfolgt. Die Unruhe bei den Nachbarn Usbekistan und Kirgistan hat die harte Haltung der Regierung von Präsident Imomali Rakhmonov verstärkt. Vor Kurzem wurde der Chef der Demokratischen Partei, Mahmadruzi Iskandarov, zu 23 Jahren Haft verurteilt, für Korruption und Terrorismus. Die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) beklagt eine sich verschlechternde Mediensituation. Kabiri nennt die letzten Wahlen "schlecht", offiziell kam die IRP auf zehn Prozent, er schätzt die richtige Zahl auf mindestens 25.

Die IPR dient Rakhmonov gewissermaßen als Feigenblatt nach innen und außen, und Kabiri erzählt, dass der Präsident auch dagegen opponiert habe, als die IRP das "islamisch" aus ihrem Namen nehmen wollte - weil, so Kabiri, ihre islamische Aufgabe als Reaktion auf den sowjetischen Atheismus erfüllt sei. Das Regime wolle auch verhindern, dass die IRP durch Weglassen des "islamisch" seine Wählerbasis vergrößere.

Wirklich frei sei der Islam in Tadschikistan nicht, sagt Kabiri, es herrsche ein radikaler Säkularismus, der den Religionsausübenden zumindest das Leben schwer mache. Es werde versucht, die Menschen von den Moscheen fern zu halten und den Islam-Unterricht einzuschränken.

Kabiri findet dies unter anderem auch kurzsichtig, weil durch mangelnde eigene islamische Erziehung den Einflüssen von außen umso mehr Raum gegeben werde: "Die jungen Leute kommen aus dem Iran, aus Pakistan und aus Saudi-Arabien zurück, wo sie studiert haben, und wissen viel mehr über Islam als diejenigen, die zu Hause geblieben sind." Auf diese Art werde der tadschikische gemäßigte Volksislam zurückgedrängt, zugunsten dogmatischerer Ausrichtungen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, Print, 31.10.2005)