Gockel sind Galliens Wappentiere, weil sie noch singen, wenn sie bis zum Knie im Mist stwehen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Im neuen Salut haben sie es dafür richtig schön.

Foto: Gerhard Wasserbauer

 

Wer 1975 schon auf der Welt war, kann sich vielleicht an gratinierte Zwiebelsuppe, Bouillabaisse und andere französische Gerichte erinnern. Sie waren zu jener Zeit sogar in Österreich en vogue - wenn auch meist in verhunzter Form. Damals entschloss sich Georg Cmyral, Gastronom in sechster Generation, ein französisches Restaurant aufzumachen - aus Liebe zu seiner Frau, die an der Loire aufgewachsen war und wenigstens an einem Ort in Wien die großartige Küche ihrer Heimat serviert bekommen sollte. Dieser Tage feiert das "Salut" am Wildpretmarkt seinen 30. Geburtstag, was für jedes Restaurant ein freudiges Ereignis ist, für einen Ritter unter blau-weißrotem Banner in Wien aber fast schon einer Seligsprechung gleichkommt.

Seit ein paar Jahren fungiert Florian Cmyral, der Sohn, als Koch und Patron in Personalunion. Jetzt aber, nachdem vor wenigen Wochen "peau neuve" gemacht wurde, präsentiert es sich im Dekor entschlackt und ist nun endlich, wie Cmyral junior meint, auch vom Aussehen "richtig meines". Klar stehen immer noch ein paar Gockel herum, doch man hat jetzt auch als Sitzriese bequem Platz an den Tischen, man ruht auf schlankem, sehr bequemem Ledergestühl (oder der zum Glück unverändert erhaltenen Polsterbank), und hinten, wo einst die Bar stand, hat Florian einen großen, harthölzernen Küchentisch hingestellt, an dem Freunde, Stammgäste und er selbst sich wohlfühlen dürfen sollen. Das wunderbar bemalte Geschirr von Gien im Loiretal ist zum Glück noch da.

Die Speisekarte ist zweigeteilt

"Comme toujours" feiert die Extravaganzen der frühen Jahre (Schnecken, sehr anständige Bouillabaisse ohne Echtheitsanspruch, sensationell gutes, klassisch von Hand geschnittenes Beef Tatar ...), "Pour changer" zeigt, dass die lokalen Vorurteile gegen die Küchenkunst der Franzosen nichts weiter sind: Die Frühlingsrolle vom Schwein mit "dem Besten von Kopf bis Fuß" packt die wilden Freuden an der Extremität (Schnauze, Füße, Ringelschwänzchen sanft geschmort und feinst gewürfelt) in elegante Form. Dazu gibt es ein einfaches Bouquet scharfer, frischer Gartenkresse, die man seit der Diktatur der Rucola schon fast auf die Liste der gefährdeten Arten setzen muss.

Das Hirschfilet ist, seltene Freude, endlich einmal scharf und englisch gebraten statt zaghaft ins Rosagraue niedertemperiert. Das lässt dem Fleisch seine kraftvolle Konsistenz, die Röstaromen sorgen für vollen Geschmack. Das Topinamburpüree dazu ist vor allem mollig, die Sauce duftet rauchig wie die Flinte, die des Hirschen Schicksal war. Dass es danach keinen Käse gibt, ist ein Skandal, den die Kundschaft sich selbst verdankt: Er wurde einfach nie bestellt. Die Weinkarte zeigt einen beglückenden Querschnitt durch bekannte und bei uns weniger bekannte Regionen Frankreichs (Elsass, Loire, Rhône), 32 Euro für die günstigste Flasche der Liste, einen bescheidenen Muscadet, sind aber eindeutig zu viel.
(Severin Corti/Der Standard/rondo/28/10/2005)