Mehr als 150 Bundesheer-Panzer rollen am Oberbefehlshaben Heinz Fischer und der Bundesregierung vorbei.

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Anderes Neutralitätsverständnis: Alfred Gusenbauer, Gerhard Jagschitz und Alexander Van der Bellen feierten den Jahrestag des Gesetzes.

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Militärisches Neutraliätsverständnis mit Solidaritätsbekundung: Waffenschau und Europa-Zelt auf dem Wiener Heldenplatz.

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Lud ins Parlament – und bekam mehr Besucher, als das Hohe Haus an einem Tag verkraften kann: Nationalratspräsident Andreas Khol.

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Alle Parteien haben den Nationalfeiertag genutzt, um sich zur Neutralität zu bekennen: Während SPÖ und Grüne gemeinsam des 26. Oktober 1955 gedachten, spricht Bundeskanzler Schüssel nur von einem "Kern" der bestehen bleibt.

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Wien - Wenn sieben Draken in Formation über den Heldenplatz fliegen und dann mit Nachbrenner in den Himmel steigen, dann zittern im ganzen ersten Bezirk die Fensterscheiben. Mit dröhnenden Flugzeugmotoren - vom Bell-Hubschrauber bis zum Eurofighter - und dem Kettengerassel von 195 Panzerfahrzeugen hat sich das Bundesheer am Mittwoch von seiner besten Seite gezeigt - als Wächter der Neutralität.

Aus dieser Rolle hat es jahrzehntelang seine Legitimation bezogen. Und nach Jahren, in denen die Neutralität mehr der Folklore als der politischen Realität zugeordnet wurde, wird sie derzeit wieder hochgehalten.

Von der Bevölkerung sowieso: Hier sind die Sympathien für die Neutralität laut einer Studie des ÖVP-nahen Karl-Kummer-Instituts zwischen August 2001 und August 2005 von ohnehin hohen 71 auf 77 Prozent gestiegen.

In der Politik der ÖVP spiegelt sich das wider: "Die Neutralität ist bis heute in der Bevölkerung und der Politik breit abgestützter Bestandteil unserer Verfassungsordnung und Identität", sagte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bei der Festsitzung der Regierung, wo er versprach, dass ein "Kern der Neutralität" immer verbleiben werde.

Wie groß oder klein dieser Kern sein kann, stellte Außenministerin Ursula Plassnik in eine europäische Dimension: "Vor 50 Jahren war Neutralität für Österreich die Ausgangsbasis für Freiheit und Frieden mitten im Kalten Krieg. Heute sind wir auch Teilhaber der europäischen Solidarität. Ein gemeinsames, geeintes, starkes Europa ist unsere Vision für Freiheit, Sicherheit und Wohlstand auch in der Zukunft."

Das ist nun nicht das Neutralitätsverständnis, das die anderen Parteien teilen: Zwar sprachen auch SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer und Grünen-Chef Alexander Van der Bellen von einem "Kern" der Neutralität, aber der ist deutlich größer und hat auch ein anderes Gewicht: Gusenbauer sprach sich für eine "aktive Neutralitätspolitik" aus.

Die Position als kleines Land privilegiere Österreich, bei Menschenrechts- und Demokratisierungsfragen seine Stimme zu erheben und nicht zu schweigen - es gebe sogar die Verpflichtung, hier das Wort zu erheben. Aber das hat weder für Gusenbauer noch für Van der Bellen etwas mit Abfangjägern und militärischem Engagement zu tun: Die Bestrebungen von eini- gen EU-Ländern, unter Berufung auf europäische Solidarität ein militärisches Kerneuropa zu etablieren, widersprechen aus Van der Bellens Sicht den österreichischen Interessen und seien "sehr bedenklich".

"Happenings"

Ernsthaft geredet über die Bedeutung der Neutralität werde im österreichischen Gedankenjahr nicht, klagte der Zeitgeschichteprofessor Gerhard Jagschitz in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Oppositionschefs: Nachdenken über Geschichte sei nicht für die Inszenierung und "Happenings" geeignet. So werde aber auch versäumt, die Bedeutung der Neutralität (oder die allfällige Feststellung, dass sie obsolet sein könnte) offen zu diskutieren.

Bundespräsident Heinz Fischer, der sich als Oberbefehlshaber offenbar bei "seinen" Soldaten sehr wohl fühlte, hat jedenfalls das Neutralitätsgesetz als "ein gutes und wichtiges Gesetz" gelobt.

In seiner Ansprache lobte Fischer das Engagement in der UNO und rief zu Solidarität mit den Schwachen auf: "In ihrem Zukunftsprogramm verweist die UNO darauf, dass auf der Welt täglich 30.000 Kinder unter fünf Jahren an Hunger sterben müssen. Ich frage Sie: Ist uns das in seiner ganzen Dramatik bewusst? Und tun wir genug dagegen?" (DER STANDARD, Printausgabe, 27.10.2005)