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STANDARD: UniCredit hat die Übernahme der HVB geschafft. Liegt in solchen Fusionen die Zukunft Ihrer Branche?

Treichl: Das ist fraglich. Es wird oft nicht bedacht, was der Kundennutzen dabei ist.

STANDARD: Das sagen Sie? Die Erste ist doch hoch aktiv beim Bank-Einkaufen.

Treichl: Bei allen bisherigen großen Transaktionen hat eine gute Bank eine schlechtere übernommen. Da entsteht ein starker Kundennutzen, weil die Kunden der schlechteren Bank bessere Produkte bekommen. Beim Zusammengehen von zwei Gleichen entstehen große Schiffe, die unbeweglicher sind und sich vom Kunden entfernen.

STANDARD: Sie bieten trotzdem um die rumänische Großbank BCR und die Sparkasse CEC mit. Warum sind Rumänien und die Ukraine für Sie "logische" Märkte?

Treichl: Wir gehen in Märkte, die für unsere Kunden Sinn machen. Enorm viele österreichische Klein- und Mittelbetriebe sind in Tschechien oder Ungarn, die dortigen Kleinbetriebe werden bis nach Rumänien und in die Ukraine gehen, um die niedrigen Arbeitskosten auszunützen. Ein Retailmarkt muss ein Markt sein, wo sich zwischen den Ländern Aktivität abspielt. In unserer Region ist das so.

STANDARD: Die BCR soll drei Mrd. Euro kosten, die CEC mit sechs Prozent Marktanteil an die 650 Millionen. Warum lassen Sie sich die BCR den dreifachen Buchwert kosten?

Treichl: Nach längerem Nachdenken sage ich zum Preis nichts. Als wir die Ceská sporitelna zum 1,5fachen Buchwert gekauft haben, haben unsere Konkurrenten gesagt: "Zu teuer, jetzt stellt sie's endlich auf." Es geht doch darum, was man aus so einer Finanzinstitution herausholen kann. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren neun Banken gekauft und wissen schon, wie viel Geld wir rechtfertigen können. Und selbst wenn wir in Rumänien nichts bekommen, geht für uns die Welt nicht unter. Mit 12,5 Millionen Kunden in Zentral- und Osteuropa sind wir die Größten. Wir fühlen uns ziemlich stark. Und notfalls bauen wir in Rumänien und der Ukraine eine Bank auf die grüne Wiese.

STANDARD: Ist der große Boom im Osten nicht bald vorbei?

Treichl: Nein, den Leuten bleibt nun langsam ein bisserl Cash übrig, das sie sparen, in Lebens- , Pensionsversicherungs- und Vermögensverwaltungsprodukte stecken können. Da haben wir tolle Wachstumsraten und große Volumina, an denen wir wirklich viel verdienen können.

STANDARD: Nach Ihrem Einkauf brauchen Sie eine Kapitalerhöhung, man spricht von einer Milliarde Euro. Wann kommt die, und zöge die Stiftung mit?

Treichl: Dazu sage ich nichts. Die Stiftung ist und soll ein wichtiger Aktionär bleiben.

STANDARD: Sie peilen für 2008 eine Mrd. Euro Gewinn an. Wie schaut die Erste 2008 aus?

Treichl: Ohne Zukäufe haben wir bis dahin 14 Millionen Kunden, mit Rumänien und der Ukraine 17 Millionen. Wir sind nicht nur eine Bank, sondern haben auch eine wichtige gesellschaftspolitische Funktion. Wir wollen ein Beispiel dafür geben, dass man sich als erfolgreiche, sehr gewinnorientierte Institution uneigennützig um soziale und kulturelle Institutionen kümmern kann.

STANDARD: Die Erste Bank erfindet den Altruismus?

Treichl: Andere unterstützen die Salzburger Festspiele und Aktivitäten mit starkem Kundenpflegenutzen. Wir wollen im Hintergrund die unterstützen, die für sich selbst sorgen müssen, das aber nicht können. Im deutschsprachigen Raum sind die Vorstände von Finanzdienstleistern voll mit Aufsichtsratsmandaten in der Industrie, im parastaatlichen Bereich, da entwickelt sich eine Nomenklatura, die sehr schädlich ist. Die Erste wird zeigen, dass man auch erfolgreich sein kann, ohne da mitzumachen. Man muss sich als Bank nicht an Hinz und Kunz beteiligen und überall seinen Kren dazugeben.

STANDARD: Wie ist denn der Einfluss westlicher Banken im Osten? Treten sie als Kolonialherren auf, als Heuschrecken?

Treichl: Weder noch. Die westlichen Investoren haben gelernt, dass diese Länder nicht von unterentwickelten Aborigines bewohnt werden, sondern dass dort Menschen und Länder heranwachsen, die uns in ein paar Jahren in vielen Bereichen eingeholt bis überholt haben. Wir haben Respekt gelernt. Man ist draufgekommen, wie gleich man ist, in Schwächen und Stärken.

STANDARD: Wo werden wir überholt werden?

Treichl: Es prallen zwei Welten aufeinander, auch in unserer Bank. In Österreich gibt es die soziale Marktwirtschaft, auf der anderen Seite steht eine Kultur, die den Aufbau solcher sozialer Strukturen gar nicht erlaubt oder will. Diese Länder sehen an der Entwicklung der EU und besonders Deutschlands, dass sich ein Sozialstaat mit Nullwachstum nicht finanzieren lässt. Da besteht die Chance, dass man auch politisch ein neues Mittelmaß findet.

STANDARD: Sie beschäftigen neuerdings Migrationsexperten Rainer Münz. Was tut er?

Treichl: Er beschäftigt sich mit der Demografie in unserer Region. Die Menschen werden immer älter, es gibt neue Anforderungen an Banken. Man braucht mehr Anspar- und Vorsorgeprodukte, völlig neue Themen werden wichtig.

STANDARD: Sie wollen den Marktwert bis 2012 auf 24 Mrd. Euro mehr als verdoppeln. Ist das nicht ungesunde Rasanz?

Treichl: 2012? Wäre zu spät. Es kommt uns auf gesunde Erträge an. Wir holen die in unseren älteren Ostmärkten aus Vorsorgeprodukten, in Rumänien auf der Kreditseite. Wir haben uns im Osten eine Win-Win-Situation gekauft und erarbeitet: Ich sehe nicht, was wir machen können, dass wir in den nächsten zehn Jahren nicht jährlich um 15 Prozent netto wachsen.

STANDARD: Zur Konkurrenz: Wie sehen Sie die Causa Refco-Bawag? Mit Mitleid, gar Häme?

Treichl: Mir tut das schon Leid. Ich finde es erschütternd, dass Politiker dem Finanzplatz schadende Kommentare abgeben, das zeugt von stark ausgeprägter Provinzialität. Und: Wer in so einem Fall Häme empfindet, ist ein Trottel, daher kann ich nicht ausschließen, dass einige so empfinden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.10.2005)