New York - Judith Miller, eine renommierte Reporterin der New York Times, ist am Wochenende in ihrem eigenen Blatt scharf kritisiert worden: Chefredakteur Bill Keller erklärte, dass Miller die Times über ihre Rolle in der Affäre um die Enttarnung einer CIA-Agentin getäuscht habe. Starkolumnistin Maureen Dowd schrieb sogar, dass die Reputation der Zeitung auf dem Spiel stehe, sollte Miller in ihren alten Job zurückkehren.

Miller war zuvor 85 Tage in Haft genommen worden, weil sie sich - unterstützt von ihrer Zeitung - weigerte, vor Gericht den Informanten preiszugeben, der ihr den Namen der CIA-Agentin Valerie Plame verraten hatte. Plame ist die Frau eines Bush-kritischen Diplomaten, der dessen Begründungen für den Irakkrieg öffentlich in Zweifel zog. Die Enttarnung galt als Racheakt des Weißen Hauses. Vor gut zwei Wochen nannte Miller schließlich Lewis "Scooter" Libby, den Stabschef des Vizepräsidenten, als Quelle.

Chefredakteur Keller sagte, Miller sei weiter in die Affäre verstrickt, als nur "Empfängerin" des Namens Plame gewesen zu sein. Dadurch sei der Times in ihren Bemühungen, ihre eigene mangelhafte Irakberichterstattung zu korrigieren, geschadet worden. Das Meiste davon hatte Miller verfasst. (Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 24.10.2005)