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Aprilscherz oder doch mehr: Kiefersfelden im Landkreis Rosenheim kann Tirol einiges abgewinnen

Foto: AP/Kerstin Joensson

Als das bayerische Kiefersfelden am 1. April 2005 Ortsschilder mit dem Zusatz "Bezirk Kufstein - Land Tirol" aufstellte, war das für die Medien zumindest ein paar Tage lang "a gfundenes Fressen" - oder doch eine "gefundene Brotzeit"? Hinter der ostentativ affichierten Identitätskrise stecken jedoch einige härtere Fakten: Der oberbayerische Ort am Inn nahe Kufstein wird nahezu ausschließlich von der ÖBB bedient und über die Dachantenne empfängt man praktisch nur ORF 1 und 2. Dabei ist der Ferienort am Fuße des Kaisergebirges (fragt sich nur welcher Kaiser?) zutiefst in bayerische Traditionen involviert:

Wenn nicht gerade der Trachtenverein "Grenzlandler" seine Lederhosen speckig drischt, kann man sich bei den Ritterspielen Kiefersfelden köstlich amüsieren. Das älteste Dorftheater Deutschlands - 1618 von Kieferern und Tiroler Gastarbeitern gegründet - wurde immerhin vom bayerischen Kultusministerium als "volksbildend und künstlerisch besonders wertvoll" eingestuft. Na bitte. Der Vierakter von Josef Georg Schmalz für die Saison 2006 ist gerade mal in Planung, schon hat der Vorverkauf für die Aufführungen vom 29. 7.-4. 9. 2006 begonnen, denn für das begrenzte Kartenkontingent besteht Nachfrage bis nach Japan.

Als "weiß-blauer" Nostalgiezug versteht sich die Schmalspurbahn "Wachtl-Express". Die fünf Kilometer lange ehemalige Güterstrecke führt direkt nach Wachtl in Tirol. Auch das "Überlaufen" mit der Fähre an diesem rund 115 Meter breiten Abschnitt des Flusses hat Tradition zurück bis ins Jahr 1770, als der erste Fährmann die Bewilligung für die Überfuhr erhielt - heute sind es vor allem die Radler, die das im Rahmen einer Tour am Inndamm gerne in Anspruch nehmen.

Wer Bayern erwandern will, ist in Kiefersfelden so goldrichtig wie der Löwe auf Weiß-Blau: Die Kieferer Wanderwochen dauern noch bis November und werden als Pauschale äußerst günstig angeboten - ab 191 € kann man sieben Nächte mit Frühstück in einfachen Gasthäusern verbringen, eine "Basisausrüstung" ist bereits inkludiert. Tourenvorschläge: entweder entlang des Kieferbaches bis zum alten Zollamt (!) am Steinbruch oder über die Jöchl-Alm auf den Tiroler (!) Heuberg, von wo man eine wunderbare Aussicht bis nach Bayern hat.

Wer nun an dieser Stelle zweifelt, ob er nicht doch gleich in Tirol Urlaub machen soll, dem sei als "Entscheidungshilfe" die Homepage "Tirol erleben" (www.tirol- erleben.at) empfohlen, dort findet sich schnell Kiefersfelden wieder. Wer also "Tirol erleben will, wird sich im bayerischen Kiefersfelden wohl fühlen, denn drüben beim Stanglwirt gibt's im Jänner eh nur Weißwurst-Party. (saum, DER STANDARD, Printausgabe vom 22./23.10.2005)