Trauerminuten der Surfer am Strand von Jimbaran...

Foto: Der Standard

Eine Galungan-Zeremonie am Strand von Kuta. Beim Galungan-Fest steigen der Überlieferung zu Folge die Götter vom Himmel herab, um den Sieg des Guten über das Böse zu feiern.

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An Balis Kuta Beach herrscht eine Woche nach den drei Bombenanschlägen vom 1. Oktober erstmalig wieder Hochbetrieb. Die allgegenwärtigen Tätowierungskünstler boten ihren Service nämlich zum Nulltarif an und bemalten kostenlos Arme, Beine oder Rücken von Urlaubern mit dem Friedenszeichen und den Worten "Bali – Peace".

Gratis waren an diesem Freitagnachmittag auch Massagen. "Wir wollen damit den vielen Touristen danken, dass sie nach den Bomben von Kuta und Jimbaran nicht abgereist sind", sagt Nwma, einen beleibten Herrn massierend. Das Ehepaar Peta aus dem australischen Perth ist fünf Tage nach den Anschlägen der radikal-islamischen Terrorgruppe Jemaah Islamiyah, die 23 Menschen das Leben kosteten, zum ersten Mal nach Bali gekommen.

Die beiden sind sich einig: "Die Balinesen können nichts dafür, und wir wollen die Terroristen nicht gewinnen lassen." Die Balinesen sind glücklich über diese Solidarität, aber sie haben auch Angst. Angst davor, dass es doch noch zu einem dramatischen Einbruch des Tourismus kommt wie vor drei Jahren.

"Wir leben doch vom Tourismus", sagt Wayan Pani, die am Strand bunte Sarongs verkauft. Yudi, dessen Agentur "Bali- friendly" Hotelzimmer vermittelt und Ausflugstouren organisiert, ist verhalten optimistisch: "Ich bekomme weiter Buchungen" – eine Erfahrung auch des deutschen Tauchlehrers Werner Schaeffer: "Am Wochenende kommt ein Vater mit seinem 15-jährigen Sohn, danach habe ich eine ganze Gruppe aus Deutschland."

Bali hat über zwei Jahre gebraucht, um sich von den Folgen des ersten Bombenanschlags zu erholen, bei dem am 12. Oktober 2002 mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen waren. Damals ist der Tourismus komplett zusammengebrochen. Herbert, ein Surfer aus Österreich, der mindestens zweimal im Jahr auf sein geliebtes Bali reist, erinnert sich: "Ich bin am Tag nach der Bombe nach Bali geflogen und war auf dem Flug von Singapur nach Bali der einzige Passagier." Dieses Mal ist es jedoch zu keinem panikartigen Massenexodus aus Bali gekommen. Auch die Stornierungen von Urlauben halten sich in Grenzen.

Bagus Sudibya muss von Berufs wegen optimistisch sein. Er ist nämlich der Chef des Tourismusverbandes von Bali. Aber selbst Sudibya ist erstaunt darüber, wie gelassen das Gros der Touristen die neuerlichen Bomben auf Bali genommen hat. Die Menschen würden sich langsam an ein Leben mit der Terrorismusgefahr gewöhnen, vermutet Sudibya. "Die Leute beurteilen die Situation realistischer. Spätestens die Anschläge von Madrid und London haben ja gezeigt, dass die Terroristen überall zuschlagen können." Dann enttäuscht Sudibya die Schnäppchenjäger: "Discounts wie vor drei Jahren wird es nicht geben."

Die Tourismusexperten Balis haben unmittelbar nach den Attentaten mit einer Medien- und Marketinginitiative sondergleichen begonnen. Die einfache Botschaft: Die Magie Balis ist unzerstörbar. Jede gute Nachricht (400-köpfige Reisgruppe aus Taiwan eingetroffen; keine Vogelgrippe im Bali-Vogelpark) wird hochgejubelt. Mit Stillschweigen wird hingegen über Negatives wie die Absage einer internationalen Aids-Konferenz oder eines Rugbyturniers zum Gedenken an den Anschlag vor drei Jahren hinweggegangen.

Groß geschrieben wird auch das Thema Sicherheit. Hotels haben Wachdienste engagiert. Sicherheitskräfte blockieren die Zufahrten zu den großen Resorts und durchsuchen jeden Wagen. Am Eingang zu den Discotheken in Kuta oder in der Amüsiermeile Jalan Dhyanapura im Schickimickistadtteil Seminyak schauen die Türsteher in jede Handtasche, jeden Rucksack. "Wir werden die Sicherheitsmaßnahmen noch weiter verstärken", betont Tourismusminister Jero Wacik, als er höchstpersönlich den Fremdenführer gibt und internationalen Journalisten im Tempel Pura Ulundanu in Batur balinesische Kultur und Religion nahe bringt.

Bali erwacht langsam wieder aus dem Bombenalbtraum zum Leben. In den ersten Tagen nach den Bomben waren die Restaurants, die Läden, die Cafés zwischen Kuta und Oberoi wie leer gefegt. Viele Urlauber hatten in den ersten Tagen nach den Explosionen Angst auszugehen. "Wir sind lieber im Hotel geblieben und haben abgewartet, wie die Lage sich entwickeln würde", sagt Karina Schreiber.

Acht Tage nach dem Anschlag...

... auf das Restaurant "Raja" am Kuta Square ist der Platz wieder von der Polizei freigegeben. Scherben und Trümmer sind beseitigt; Boutiquen, Restaurants und Cafés wieder geöffnet; verwelkt sind die Blumen der kitschig-schönen Trauergestecke vor dem "Raja". Aber der Schock und die Fassungslosigkeit über die Anschläge sind noch da. Immer noch kommen Balinesen und Touristen zum Kuta Square, um stumm und erschüttert am Ort des Horrors der Opfer zu gedenken.

Im zehn Kilometer entfernten Jimbaran, wo zwei Bomben an diesem ersten Samstag im Oktober in den Restaurants "Menega" und "Nyoman" 17 Menschen in den Tod gerissen hatten, herrscht dagegen noch Totenstille. Hier am Jimbaran Beach wird die Sinnlosigkeit, die Perfidie des Terrors überdeutlich.

Die für ihre Fischgerichte und Meeresfrüchte berühmten Lokalitäten werden vornehmlich von Einheimischen besucht, die an den Wochenenden in die einfachen, nach allen Seiten offenen, mit Palmstroh gedeckten Holzrestaurants kommen, um bei Fisch, Meeresfrüchten und ein paar Flaschen "Bintang"-Bier vom Alltag zu entspannen. Ein wenig Leben kehrte für einen kurzen Moment nach Jimbaran zurück, als am vergangenen Samstag mehr als 100 blumenbekränzte Surfer mit einem Surf-In der Anschlagsopfer gedachten.

Nur vier Tage nach den Bomben begingen die Balinesen ihren höchsten Feiertag, das Galungan-Fest. Der hinduistischen Mythologie zufolge steigen an diesem Tag alle Götter Balis vom Himmel herab, um die Schöpfung des Universums sowie den Sieg des Guten über das Böse zu feiern. In ihre farbenprächtigen traditionellen Sarongs gekleidete Menschen strömten allenthalben in die Tempel und brachten den Göttern in bunten Bastkörben oder auf Silberschalen Bananen, Reis und Blumen als Opfer dar.

"Religionen kommt gerade in schwierigen Zeiten eine besondere Bedeutung zu", sagt Jero Ged Duuran Alitar, der Vorsteher des Tempels Pura Ulundanu in den balinesischen Bergen. "Sie helfen, das Unfassbare besser zu verstehen." Wer seinen Ärger, seine Wut, seine Abscheu über die Gewalt der Terroristen ganz profan zum Ausdruck bringen will, der wird von den zahllosen T-Shirt-Händlern in Kuta bestens bedient: Baumwollleibchen mit dem fetten Aufdruck: "Fuck Terrorist" finden reißenden Absatz.
(Der Standard/rondo/21/10/2005)