Erinnerungsarbeit am Gehweg: die "Steine der Erinnerung" am Volkertplatz.

Foto: STANDARD/Corn
Am neu gestalteten Volkertplatz in Wien-Leopoldstadt gedenkt man nun auch der Opfer des NS-Terrors: "Straße der Erinnerung" nennt sich das Projekt - und soll an die jüdischen Bewohner des Viertels erinnern. Der älteste war 92, der jüngste drei Monate.

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84 Steine, an der Oberfläche eine Messingplatte, jeder Stein zehn mal zehn Zentimeter groß - darauf das Schicksal von 84 Menschen eingraviert: "Leo Hindler, 20. 12. 1880, deportiert 1941."

"Die "Straße der Erinnerung" nennt sich das Projekt, mit dem am Volkertplatz in Wien-Leopoldstadt jüdischer Bürger und Bürgerinnen des Grätzels gedacht wird - exemplarisch. Bei der Spurensuche hat der Verein "Steine der Erinnerung" Daten von insgesamt 1585 Männern und Frauen recherchiert, die aus dem Volkertviertel verschleppt und ermordet wurden. "Es waren diejenigen, die sich nicht mehr retten konnten", sagt die Projektinitiatorin Elisabeth David-Hindler. Viele alte Menschen, viele Kinder.

Erinnert wird an Markus Gröger, damals 92 Jahre alt und an Judas Rubin, drei Monate alt. Oft sind der Name, das Geburtsdatum und der Tag der Ermordung oder Deportation die einzigen Daten, die noch auffindbar sind. "Die Steine geben den Leuten im Viertel wieder einen Platz", sagt David-Hindler.

Die "Straße der Erinnerung" ist von Weitem nicht sichtbar. Die Steine - das deutsche "Stolpersteine"-Projekt (DER STANDARD hat berichtet) wurde als Vorbild genommen - wurden in den Boden des Platzes integriert, keine Tafel erklärt, nichts grenzt die Straße vom Rest des neugestalteten Platzes ab. "Man sieht die Steine kaum, aber sie sind vorhanden, sie sind präsent", erklärt David-Hindler.

Tafeln statt Steine

Anderenorts wird mit Gedenktafeln an die Opfer des NS-Terrors erinnert. Etwa am Alsergrund. An der Ecke Fechtergasse/Liechtensteinstraße existiert bereits eine derartige Tafel, auch in der Servitengasse gibt es eine. Weitere könnten folgen, da bis Herbst 2006 die jüdische Vergangenheit von 23 Häusern und Geschäften in der gesamten Servitengasse untersucht werden soll. Im November wird auf jeden Fall eine Tafel vor dem Haus Porzellangasse 49a enthüllt.

Wie am Alsergrund engagiert sich auch in der Leopoldstadt die Bezirksvertretung. Geplant und umgesetzt wurde das Projekt am Volkertplatz vom Verein gemeinsam mit der Gebietsbetreuung und dem Grätzelmanagement.

Die Finanzierung erfolgte vollständig über Patenschaften für die Steine. Die Paten kommen aus Österreich, England und Israel - aber auch die Schulen des Viertels haben sich beteiligt.

Dass Passanten achtlos über die Messingplatten laufen, stört David-Hindler nicht. Es seien ja keine Grabsteine. Und sie ist sich sicher: "Manche werden es lesen." (Peter Mayr/DER STANDARD; Printausgabe, 19.10.2005)