Vom Ziel, die ÖVP zu überflügeln, sind sie mittlerweile deutlich abgerückt - Ein Test für die Nationalratswahl bleibt Wien allemal
Redaktion
,
Wien
– Im Grund wurde schon
vor der Sommerpause, als der
Wiener Wahlkampf noch gar
nicht richtig begonnen hatte,
klar, aus welcher Richtung die
Probleme für die Grünen kommen würden: Damals tauchten die ersten Umfragen auf,
die ihnen ein Kopf-an-Kopf-
Rennen mit der ÖVP samt
Aussicht auf den zweiten
Platz prognostizierten. Zeitweise wurden die Grünen bei
20
Prozent gehandelt, was bei
einer Ausganglage von 12,5 Prozent einen regelrechten
Erdrutsch bedeuten würde.
Möglicherweise erschien
dem Team um Spitzenkandidatin Maria Vassilakou diese
Aussicht zu verlockend, um laut zu
widersprechen
und so den Druck
der übergroßen Erwartung etwas zu mildern. Jedenfalls
verfestigte sich, man stehe bei
der Wahl in der Bundeshauptstadt als zweiter Sieger neben
der SPÖ von vornherein fest
und hätte damit auch schon
ein deutliches Argument für eine rot-grüne Weichenstellung auf Bundesebene zur
Hand.
Spätestens nach den Landtagswahlen in der Steiermark
und im Burgenland wurde
klar, dass es so leicht auch in
der grünen Hochburg Wien
nicht werden wird. Noch immer gilt offenbar die Regel,
dass sich gute Umfragewerte
spätestens dann zu verflüchtigen beginnen, wenn SPÖ und
ÖVP die Auseinandersetzung als
Zweikampf der
Großen in Szene
setzen. Also suchten die Grünen in den letzten Tagen verzweifelt, die Latte in Wien etwas niedriger zu legen und
nannten öffentlich nur noch
als Wahlziel, die FPÖ hinter
sich zu lassen. Wie nicht anders zu erwarten, lancierte die
SPÖ umgehend Umfragen, in
denen sie "nur" bei 49
Prozent
liegt, die Grünen aber deutlich
über 20
Prozent erreichen
könnten.
Die entscheidende Frage für
die Grünen wird sich erst nach
der Wahl stellen: Gelingt es,
die hohen Erwartungen halbwegs zu erfüllen, werden auch
diejenigen weiter ruhig bleiben, die den kurzen Verhandlungsflirt der Bundespartei
mit der ÖVP nach der letzten
Nationalratswahl nicht eben
goutiert haben. Ist das nicht
der Fall, könnten die Rufe
nach einer deutlich links markierten Position sehr laut werden – und eine Identitätsdebatte auslösen, die im Wahljahr, das über eine Regierungsbeteiligung der Grünen
entscheiden wird, alles andere
als hilfreich wäre. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.10.2005)
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