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Unter Freunden: Gerhard Schröder stattete am Wochenende Wladimir Putin den vielleicht letzten Besuch als Kanzler ab. Putin feierte in Sankt Petersburg seinen 53. Geburtstag.

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Sie wähnt sich kurz vor dem Ziel: Angela Merkel will die Kanzlerschaft.

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Am Montag will sich CDU-Chefin Merkel endlich zur Kanzlerin ausrufen lassen. Das soll ein Freudentag für die Union werden. Doch der dämmert, dass sie sich den Verzicht der SPD auf das Kanzleramt teuer abkaufen lassen muss.

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Das Warten will kein Ende nehmen. Am Sonntagabend sollten in Berlin die finalen Gespräche zwischen Kanzler Gerhard Schröder, SPD-Chef Franz Müntefering, CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Vorsitzendem Edmund Stoiber stattfinden. Doch schon am Nachmittag wurde dem rot-schwarzen Quartett klar: Wir brauchen jetzt doch noch ein wenig länger.

Aber am Montag soll es endlich so weit sein. Über die Kompromisse, die die vier nächtens erzielt haben, wollen sie um neun Uhr zunächst ihre Parteigremien informieren. Von diesen mit Pouvoir für das Finale ausgestattet, treffen sich Schröder, Müntefering, Merkel und Stoiber um elf Uhr noch einmal. Und dann soll wirklich und wahrhaftig entschieden werden, wer eine große Koalition aus Union und SPD führt.

"Erstzugriff" für SPD

Für die Union war es schon am Wochenende klar: Sie kann am Montag in den letzten, den allerletzten Gesprächen mit der SPD-Spitze ihren Anspruch auf das Kanzleramt durchsetzen. Klappt dies, dürfte es für die Union nicht billig werden. Christian Wulff, CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen, will der SPD für den Fall, dass sie endlich nachgibt und auf das Kanzleramt verzichtet, ein "Erstzugriffsrecht" auf Kabinettsposten zugestehen. "Das Prinzip funktioniert bei vielen Koalitionen bereits gut. Deshalb sollte man darüber nachdenken", sagt er.

In der Union rechnet man damit, dass die SPD in diesem Fall ohne langes Zögern nach dem Außenministerium greifen wird. Zwar waren bisher nicht alle deutschen Vizekanzler auch Außenminister, aber sehr viele - etwa Joschka Fischer (Grüne), Klaus Kinkel (FDP), Hans-Dietrich Genscher (FDP) und Willy Brandt (SPD). Die Vizekanzler Ludwig Erhardt (CDU) und Jürgen W. Möllemann (FDP) hingegen standen beide während der Bonner Jahre dem Wirtschaftsministerium vor. Diese Variante - eine Person ist Vizekanzler und Außenminister - hat am Wochenende zu neuen Spekulationen geführt.

In Berlin hieß es, so könnte doch der Verbleib Schröders in der Regierung gesichert werden. Grundsätzlich meint Schröder über das Amt des Vizekanzlers ja ein wenig verächtlich: "Ich bin in meinem politischen Leben noch nie Juniorpartner gewesen."

Fischers Erbe

Andererseits könnte das Amt für ihn reizvoll sein, wenn er gleichzeitig Außenminister Fischer beerbt. In den vergangenen Jahren hat sich Schröder ohnehin verstärkt der Außenpolitik gewidmet, als er wegen seiner Innenpolitik (Arbeitsmarktreformen) immer mehr unter Druck kam. Er hat ausgezeichnete Kontakte nach Frankreich und Russland, ist allerdings in den USA weniger gern gesehen.

Doch Innenminister Otto Schily (SPD) und dem konservativen "Seeheimer Kreis" in der SPD-Fraktion ist das zu wenig. Nie und nimmer dürfe sich Schröder bloß mit dem Posten als Vizekanzler abspeisen lassen, sagen sie. Schily hat daher noch einmal die "israelische Variante" ins Spiel gebracht: Union und SPD teilen sich die vierjährige Kanzlerschaft gerecht auf.

Die Union weiß, dass sie die SPD bei Vergabe der Ministerien großzügig bedenken muss. Da sie den Kanzler und das Amt des Kanzleramtsministers für sich reklamiert, darf die SPD möglicherweise zwei Fachministerien mehr besetzen. Dann gäbe es acht Ressorts für die SPD, vier für die CDU und zwei für die CSU. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) und CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Michael Glos, warnen aber davor, sich über den Tisch ziehen zu lassen. Glos: "Wir machen keine Koalition um jeden Preis." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.10.2005)