Im lutheranischen Denken wurde Arbeit als zu erfüllende Pflicht verstanden - heute stehe Arbeit häufig im Kontext von Spaß und Freizeit. Ein Phänomen, so begann Joanna Noemi Puschs Vortrag im Rahmen des Personalisten-Netzwerks HRNetworx, mit dem HR-Verantwortliche in Unternehmen erst mal zurande kommen müssten.

Schließlich gelte es in der Arbeitswelt a) die außerbetriebliche, b) die innerbetriebliche und c) die Lebenswelt, die über die Punkte a) und b) lokalisiert werde, zu berücksichtigen, so Pusch. Zusätzlich - und dies müsse Personalisten wie sie selbst doch aufrütteln - zum Trend der Distanzierung zur Arbeit. In Österreich, so Pusch, werde "an 90 Tagen im Jahr gebummelt." Es sei ein Wertewandel der Arbeit im Gange, sagt sie.

  • Die Arbeit rücke von ihrer zentralen Rolle
    (in den 80er-und 90er-Jahren im Trend) weg. Zudem gewinne
  • Freizeit an Bedeutung.
    Auch seien
  • postmaterielle Werte
    stark im Kommen. Erschwerend für Personalisten käme hinzu, dass dieser Wertewandel ein
  • mehrdimensionaler,
     also eine Mischung aus allen vorangegangenen Punkten sei, so Pusch. Um seine Mitarbeiter zu halten und den Arbeitsplatz an sich stetig attraktiver zu gestalten, sei es für Personalverantwortliche unumgänglich, seinen Mitarbeitern bzw. deren Entwicklungen am Arbeitsplatz besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Von Frust bis Burnout

Denn vom "einfachen Frust" sei der Weg zur Arbeitssucht bis zum Burnout ein vergleichsweise simpel nachzuvollziehender. Zu wenig Lob, die unpassende Position oder der desinteressierte Chef bis hin zu der Ansicht, die eigene Meinung hätte im Unternehmen kein Gewicht, können Faktoren für ein Burnout darstellen. Emotionelle Erschöpfung, reduzierte Leistungsfähigkeit und schwere Depressionen seien die Folge. Warnsignale für Arbeitssucht wie für Arbeitsflucht (siehe Artikel unten) seien dabei rechtzeitig zu erkennen. Die allem voranstehende Frage sei allerdings, ob Personalmanager genau genug hinsehen, hinhören und über Arbeitssucht bzw. -flucht sprechen würden, so Pusch weiter. Als positives Beispiel führt sie eine Kooperation von IBM Düsseldorf mit der deutschen IG Metall aus dem Jahr 1999 an: Fallschilderungen wurden ins Intranet gestellt, Infoveranstaltungen organisiert - die Resonanz, sagt sie, sei "enorm gewesen". Es gelte, mit diesen Tabus angemessen und menschlich umzugehen. Pusch: "Das Mitarbeitergespräch ist hier wichtiges Tool", entsprechende Genesungsprozesse seien zu verfolgen - der Arbeitsplatz könne hier in Zusammenarbeit mit Arbeitsmedizinern zum Ort der Genesung werden. (Der Standard, Printausgabe 8./9.10.2005)