Wien - Wenn Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny vom "Kunstplatz" Karlsplatz spricht, kann er wohl nur die Häufung an Institutionen meinen, die durch diesen so genannten Platz so brachial voneinander getrennt werden:

Zwischen Musikverein und Secession, zwischen Wien-Museum und dem Project-Space der Kunsthalle findet man die Wüste am Karlsplatz. Die zu durchqueren wurden vor langer Zeit schon Passagen erschlossen. Mittlerweile haben die sich ziemlich abgebraucht.

Visualisierung: Nick Sully

Kunstfreundlich

So auch die "Westpassage", die derzeit noch eine unterirdische McDonald's-Filiale fast mit der Wiener Secession verbindet, in naher Zukunft aber direkt am Jugendstiljuwel enden soll.

Und weil dem so ist, und weil die Wiener Linien Ges.m.b.H. & Co. KG, deren Netzwerke sich am Karlsplatz publikumsfördernd verknoten, traditionell kunstfreundlich sind, wird nun auch am Karlsplatz Kunst einziehen.

Bilder: Standard/ Ch. Jabernegg/A. PalffyStep 05/ Nick Sully

Ausgangspunkt: Radio hören

Möglich gemacht hat das ein Wettbewerb der Initiative "kunst im öffentlichen raum wien". Und die Jury hat unter acht geladenen Künstlern den aus Kanada gebürtigen Künstler Ken Lum für am würdigsten befunden, die Passage zu gestalten. Wie die hochfrequentierte Unterführung einmal aussehen wird, zeigt eine Animation.

Ausgangspunkt seiner Überlegungen, erzählt Ken Lum, war seine Erfahrung, wonach Pendler auf die Frage, was sie im Lauf ihrer täglichen An- und Abreisen so erleben würden, keine Antwort wüssten. "Radio hören!", sagen die meisten, an das Programm aber erinnert sich kaum einer unter ihnen.

Visualisierung: Nick Sully

Mix aus wertvollen und sinnlosen Informationen

Es müsste also gelingen, dachte Ken Lum weiter, Informationen in die Transfersituation zu schmuggeln. Und weil er ein Schelm ist, versucht er es mit einem Mix aus wertvollen und sinnlosen Informationen.

Und so erfährt künftig tagesaktuell, wer sich vom Karlsplatz aus gen Westen durchschlägt, via LEDs wie viele Schnitzel die Wiener gerade essen, wie hoch die Verschuldung der Welt in US-Dollars gerade ist.

Visualisierung: Nick Sully

Newsticker und Quasi-Tatsachen

Die Countup- und -down-Uhren werden auf verspiegelten Tableaus montiert. "Factoids", (Quasi-)Tatsachen, nennt Ken Lum seine Newsticker, und natürlich ist das Projekt ebenso ernst gemeint wie ironisch.

Die Westpassage wird allein der Kunst vorbehalten bleiben. Werbflächen sind keine vorgesehen. Die Eröffnung ist für Juni 2006 geplant. (Markus Mittringer, DER STANDARD Printausgabe 8/9.10.2005)

Bilder: Standard/ Ch. Jabernegg/A. PalffyStep 05/ Nick Sully