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Abschaffung der Prostitution als Ziel der schwedischen Frauenpolitik - (noch) nicht gelungen.
Foto: APA/dpa/Wagner
Seit den siebziger Jahren beschäftigt sich die schwedische Politik mit Gewalt gegen Frauen, worunter sie auch Prostitution subsummiert. Empfahlen die Ergebnisse der ersten Untersuchungskommission - 1971 - zum Thema noch staatliche Zurückhaltung und Toleranz gegenüber des als "privat" eingestuften Kaufs und Verkaufs von sexuellen Handlungen sowie des darin implizierten Mißbrauchs, sprachen die Maßnahmenspakete in den folgenden Jahren und Jahrzehnten eine andere Sprache: eine weibliche.

Kriminalisierung der Freier

1977 schon setzt sich die oben erwähnte Kommission mehrheitlich aus Frauen zusammen, vier Jahre danach liegt die erste, 700 Seiten starke Studie über Prostitution und Mißhandlung vor, deren Fazit vorallem eines unterstreicht: Prostitution als Mittel der Frauenunterdrückung. Frau schlägt erstmals die Kriminalsierung von Freiern und SexarbeiterInnen vor. Die damalige Regierung ignoriert die Aussagen und belässt es bei der Bestrafung von Zuhälterei.
Die nächsten Schritte auf dem Weg zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt betreffen Kinderpornografie; das Ziel, physische Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, ist nach wie vor von hoher Relevanz. Jahre später, 1997, als der schwedische Reichstag bereits zu über 40 Prozent weiblich ist, kommt es zu der - bis heute - vieldiskutierten Gesetzesvorlage im Rahmen eines umfassenden Pakets "Gewalt gegen Frauen" der SozialdemokratInnen: Verkauf von Sex bleibt straffrei, der Kauf allerdings nicht. 1998 wird das Gesetz im Reichstag mit 181 zu 92 Stimmen verabschiedet, seit Jänner 1999 ist es in Kraft. Als Konsequenz erhielt die schwedische Polizei zusätzliche Mittel, während Sozialprojekte für SexarbeiterInnen gekürzt wurden.

Pros und Contras

Dass damit das Ende der Prostitution gekommen wäre, zweifelten Medien und - vorallem konservative - PolitikerInnen an: Prostitution würde nur in den Untergrund gedrängt, aber nicht beseitigt. "Wir riskieren, daß die Prostitution nun in den Untergrund geht. Oder glauben Sie, daß es nicht gibt, was man nicht sieht?", fragte der konservative Abgeordnete Jeppe Johnsson von der oppositionellen Moderaten Sammlungspartei, die den Gesetzentwurf ablehnte. Auf die Schwierigkeit, materiellen Transfer bei sexuallen Handlungen überhaupt nachzuweisen, wurde vermehrt hingeweisen. Tränenreiche, boulevardeske Berichte über verarmte Huren kursierten im medialen Blätterwald.

Ebenfalls negative Bewertungen, auch von Fraueseite, kamen und kommen jedoch von in der Sexarbeit oder mit Betroffenen Engagierten. Seit dem Erlass sei es schwerer, Gewalttaten (vor allem durch Zuhälter) im Milieu zur Anzeige zu bringen, da die Zeugen Kunden sind, und sich damit eben strafbar machen. Das Gesetz fördere Zwangsprostitution, unter der vor allem Migrantinnen zu leiden haben. Zudem zeugt die bisherige Quote der Verurteilungen nicht gerade von einem Erfolg: Nur wenige Freier sind bislang zur Rechenschaft gezogen worden - hauptsächlich weil es an ZeugInnenaussagen Prostituierten fehlt. Einerseits aus Einschüchterung, andererseits, weil sich viele nicht als "Opfer", sondern als SexarbeiterInnen sehen.

Alice Aaström von der Linken Partei dagegen bezeichnete die Vorlage dagegen als "wichtig wie noch nie". Auch die führenden Feministinnen wie Maria-Pia Boethius sahen in der Vorlage einen wesentlichen Schritt in die richtige Richtung zur Befreiung der Frauen: Kein Mann solle sich eine Frau "kaufen" dürfen; der Doppelmoral, die Prostituierte zwischen Abhängigkeit und gesellschaftlicher Ächtung hält, sollte ein Ende ereilen.

Diese Grundposition, die die schwedische Frauenpolitik - mit Hinsicht auf das durchaus hehre Ziel der Verbesserung der gesellschaftlichen Position der Frauen im allgemeinen - in einem Gesetz verankert hat, hält jedoch die eigentlich Betroffenen zwischen Lösungsversprechungen der Feministinnen und neuen, alten Gefahren der Branche gefangen. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. (red)