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Chodorkowski und sein ehemaliger Geschäftspartner Platon Lebedew, dessen Haftstrafe ebenfalls von neun auf acht Jahre gesenkt wurde, müssen nun ihre Haft in einem Straflager antreten.

Foto: Reuters/Karpukhin
Moskau - Mit der Bestätigung des Urteils gegen den früheren russischen Ölunternehmer Michail Chodorkowski hat ein Moskauer Gericht dessen politischen Ambitionen vorläufig ein Ende gesetzt. Die Haftstrafe werde von neun auf acht Jahre reduziert, teilte der Vorsitzende Richter Wjatscheslaw Tarassow am Donnerstag nach nur 50-minütigen Beratungen mit. Chodorkowski ist damit rechtskräftig verurteilt.

Er und sein ehemaliger Geschäftspartner Platon Lebedew, dessen Haftstrafe ebenfalls von neun auf acht Jahre gesenkt wurde, müssen nun ihre Haft in einem Straflager antreten. Chodorkowski kann nicht mehr wie geplant bei einer Nachwahl für das russische Unterhaus kandidieren. Chodorkowski muss innerhalb von zehn Tagen die Lagerhaft antreten. Er werde nicht in das Moskauer Umland geschickt werden, weil es hier keine Arbeitslager gebe, sagte ein Sprecher der Strafvollzugsbehörde.

Das Berufungsgericht bestätigte im Grundsatz das Urteil aus erster Instanz. Der 42-jährige Gründer des russischen Ölkonzerns Yukos war am 31. Mai wegen Steuerhinterziehung und Betrugs zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Das Strafmaß wurde gemindert, weil ein Anklagepunkt fallen gelassen wurde, bei dem es um Geldzahlungen an den heute im Ausland lebenden Geschäftsmann Wladimir Gussinski ging.

Staatsanwalt zufrieden

Er sei "sehr zufrieden", sagte Staatsanwalt Dimitri Schochkin. Das Gericht habe Chodorkowskis Verurteilung als "rechtmäßig, begründet und gerecht" erachtet. Die Verteidigung kündigte an, das Urteil des Berufungsgerichts anzufechten und dazu notfalls auch vor den Obersten Gerichtshof zu ziehen. Die "kosmetische" Absenkung des Strafmaßes sei "reine Propaganda", sagte Chodorkowskis Anwalt Juri Schmidt.

Das Berufungsgericht hatte nur wenige Stunden vor der Urteilsverkündung Anklage und Verteidigung angehört. Vor Verkündung des Urteils berieten die Richter nur eine knappe Stunde. Der erste Prozess gegen Chodorkowski hatte zuvor elf Monate gedauert. Die anschließende Verlesung des Urteils zog sich über zwei Wochen hin. Bei seiner Urteilsbegründung folgte das Gericht damals beinahe Wort für Wort den Argumenten der Anklage. Die Anträge der Verteidigung lehnte es ab. Beobachter sprachen damals von einem politisch motivierten Urteil, da Chodorkowski die Opposition gegen Präsident Wladimir Putin unterstützt und eigene politische Ambitionen gehegt habe. Für die liberale Opposition des Landes ist der Ex-Oligarch ein politischer Häftling.

Politische Ambitionen

Im Berufungsverfahren hatten Chodorkowski und seine Anwälte versucht, den Prozess in die Länge zu ziehen, um einen Gerichtsbeschluss vor der Nachwahl zur Duma im Dezember zu verhindern. Zugleich warf die Verteidigung der russischen Justiz vor, das Verfahren beschleunigen zu wollen, um Chodorkowskis Kandidatur zu verhindern.

Der vor seiner Festnahme im Oktober 2003 zu den reichsten Männern Russlands zählende Ölmagnat hatte Ende August auf seiner Internetseite seine Bewerbung um einen Sitz im russischen Unterhaus, der Duma, angekündigt. In dem Bezirk war eine Nachwahl nötig geworden. Chodorkowski hätte bei der Wahl nur antreten können, solange er nicht rechtskräftig verurteilt war.

Nicht akzeptieren

Chodorkowski will nun den Menschenrechts-Gerichtshof anrufen. Ungeachtet einer weiteren Berufung beim Obersten Gericht Russlands werde jetzt auch eine Klage in Straßburg vorbereitet, sagte Chodorkowskis Anwältin Karinna Moskalenko am Freitag der Nachrichtenagentur AP. Russische Medien zitierten Juristen mit der Meinung, beide Verurteilte könnten bereits im Jahr 2007 wieder frei sein. Unter Anrechnung der zweijährigen Untersuchungshaft hätten Chodorkowski und Lebedew das Recht, bei guter Führung eine Halbierung ihrer Haftstrafe zu beantragen. Diese Möglichkeit biete sich Strafgefangenen mit Ausnahme von verurteilten Schwerverbrechern.

Chodorkowskis Verteidiger unter Druck

Nach der neuerlichen Verurteilung des Ex-Yukos-Chefs Michail Chodorkowski fühlen sich dessen Verteidiger von den Behörden unter Druck gesetzt. Drei Anwälte aus dem Verteidigerteam des früheren russischen Ölunternehmers seien am Freitag ins Justizministerium vorgeladen worden, sagte ein Sprecher. Dort sei ihnen mitgeteilt worden, dass ein Antrag auf Widerruf ihrer Anwaltszulassung vorliege. Wer diesen Antrag gegen die Juristen Anton Drel, Denis Diatlew und Jelena Lewina gestellt habe, sei nicht gesagt worden.

Ein weiterer Verteidiger, der aus Kanada stammende Anwalt Robert Amsterdam, wurde nach Angaben des Anwälteteams aufgefordert, Russland zu verlassen. Wie Karina Moskalenko von Chodorkowskis Verteidigerteam der Nachrichtenagentur RIA-Nowosti sagte, suchten Polizisten in Zivil den Kanadier in dessen Hotel auf und sagten ihm, sein Visum sei abgelaufen. Amsterdam hatte sich im Verlauf des Prozesses sehr kritisch zu den russischen Justizbehörden geäußert. Ein Sprecher der Einwanderungsbehörden bestritt gegenüber der Agentur Interfax, dass Amsterdam das Land verlassen müsse. (APA)