Foto: Johannes Zinner
Wien – Severin Groebner hat einen Hang zu spätpubertären Sprachspielereien. Ganz besonders liebt der schlaksige Kabarettist selbstgenügsame Alliterationen. In Lauter liebe Leute, seinem neuen Programm, trägt eine der Figuren unter anderem das "Sinnlose Sommergedicht eines säumigen Sommeliers" vor. Oder sie rezitiert, als wäre sie ein Dichter vom Schlage Ernst Jandls: "Schreibtischlampe, schreibt die Schlampe". Aber tieferen Sinn gibt es natürlich keinen. Und auf Dauer sind die Kalauer ein wenig ermüdend.

Darüber hinaus ist die Dramaturgie geradezu nervenzerfetzend: Auf dem Trottoir hat jemand ein Mikrofon vergessen. Worüber sich der Hausmeister ärgert, weil er den Krempel wegräumen muss. Dazu kommt es aber nicht: Im Theater Drachengasse nutzen diverse Passanten, lauter liebe Leute eben und daher auch Monster des Alltags, die seltene Gelegenheit, sich in der Öffentlichkeit zu produzieren.

Der Metzger Scheußlicher berichtet in mehreren Tranchen aus der widerlichen Familiengeschichte, ein Alkoholiker hat gröb(n)ere Wortfindungsprobleme, die Susi hofft sehnsüchtig auf einen Anruf, ein Mann hält ein Plädoyer aufs Schweigen, die 15-jährige Jenny kaut gelangweilt Kaugummi und so weiter. Auf einen Zusammenhang zwischen den Kürzestmonologen, eine Aussage, hofft man vergeblich: Nach gut eineinhalb Stunden, wenn Groebner den Song vom Beginn anstimmt ("Nanu, wer bist denn du?"), ist Schluss mit halblustig.

Dass er, ein Meister des Sprachrhythmus, nicht nur Grimassen schneiden, sondern auch wirklich tragikomische, berührende Charaktere entwickeln kann, beweist er leider nur selten. Seine fette Frau aber, die den Donnerstag- Kaffeetratsch mit den schlanken Freundinnen hasst, entschädigt für die Leerläufe (Regie: Nehle Dick): Wenn sie von ihren Strategien erzählt, welche Torte sie wann bestellt, um nicht zu sehr zum Gespött zu werden, dann ist Severin Groebner tatsächlich brillant. (DER STANDARD, Printausgabe vom 21.9.2005)