"Die Gitti war meine Göttin": Justus Neumann baut als imaginierter Gilgamesch Todesängste ab.

Foto: Drachengasse/W. Kalal
Typisch, fantastisch: Justus Neumann, der Semiaustralier mit Wiener Herz, hat - gemeinsam mit Hanspeter Horner und Karl Ferdinand Kratzl - die sumerisch-altbabylonischen Sagen um den übermütigen König Gilgamesch von Uruk auf eine Wiener Sandlerbank verlegt und sie als zweckdienliche Hinweise für Todesgeängstigte höchst heiter zum Einmannabend verarbeitet: Gilgamesch zum Totlachen. Das Ganze könnte eine H. C. Artmann-Paraphrase sein. "Die Gitti war meine Göttin", gibt dieser innerliche Zweidrittelgott - an eine verflossene, ja nicht einmal eroberte Liebe denkend - bereitwillig zu. Mehr als ein verrostetes Fahrrad ist dem vermeintlich Unsterblichen nicht geblieben. Weil er nichts hat, hat er nichts zu verlieren und dabei auch noch den Mumm, uns die Todesangst zu nehmen. Justus Neumann lässt den Mythos aus sich herauswachsen, belebt ihn mit wenigen Handgriffen bis zum aktionistischen Höhepunkt des Kampfes zwischen Freund Enkidu und dem Stier (=Fahrrad); Regie führte Hanspeter Horner. Phänomenal der Schluss: Zahlen zählen im Walzer, Nationalhymnen oder Polkatakt, ein Lebenscountdown in die Zukunft. Bis 8.10. 20:00 Uhr (afze/DER STANDARD, Printausgabe, 20.09.2005)