Sophie Koch als "Octavian"

Foto: Wiener Staatsoper GmbH / Axel Zeininger
Wien - In der Wiener Staatsoper gelten offenbar ähnliche Gesetze wie in einer Gulaschküche: Je öfter man etwas aufkocht, desto besser wird es. Zugegeben, so wie alle Vergleiche hinkt auch jener: Den Genuss des beliebten Fleischgerichts würde nach 308-maligem Aufkochen auch der robusteste Feinschmecker kaum lebend überstehen; im Fall der Rosenkavalier -Produktion, die am Mittwoch in der Staatsoper serviert wurde, verhält sich dies allerdings anders.

Es war die 308. Aufführung seit der Premiere vor 37 Jahren, das szenisches Ambiente signalisiert längst ästhetischen Substandard, die Aktionen erscheinen wie eine Kette von Kalauern. Angesichts solcher Feststellungen von einer bestens geglückten und vom Publikum entsprechend herzlich bejubelten Aufführung zu sprechen ist ebenso paradox wie berechtigt.

Wird durch diesen musikdramatischen Gulascheffekt doch überzeugend bewiesen, dass intensives und überzeugendes Musiktheater nicht selten weniger in ausgeklügelten Inszenierungen, sondern vielmehr zwischen den handelnden Akteuren stattfindet. Sofern es sich bei Letzteren um souveräne Bühnenpersönlichkeiten handelt.

Und dies ist nicht nur bei einem großmeisterlichen Ochs wie Kurt Rydl der Fall, der sich aus anfänglich etwas gelassen wirkender Routine zur Hochform steigert, angesichts derer man für jede Outrage, zu der er sich angesichts der animierten Stimmung im Publikum hinreißen lässt, sogar noch dankbar ist.

Den spontanen emotionalen Tiefgang erhielt diese Aufführung durch das nach kurzer Anlaufzeit erreichte hohe Niveau, auf dem Soile Isokoski als Marschallin und Sophie Koch als Octavian in Spiel und Gesang miteinander harmonierten und damit sogar das leichte musikalische Gefälle zu Ileana Toncas Sophie und Shalva Mukerias Sänger auszugleichen vermochten.

Dies gelang umso leichter, als sich die Philharmoniker offenbar in bester Strauss-Laune befanden und auf Adam Fischers dirigentische Intentionen virtuos reagierten.

Wenn auch mittlerweile zu Bayreuther und Salzburger Festspielehren aufgestiegen, wird Fischer im überheblichen Musikdiskurs gerne etwas von oben herab gehandelt. Gerade in diesem Rosenkavalier hat er bewiesen, dass er die straussischen Stimmungen vom burlesken Gepolter bis zur melodischen Tränengangdrainage bestens zu realisieren versteht und darüber hinaus die Sänger mit vorbildlicher dynamischer Rücksicht begleitet. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.09.2005)