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Unterrichtsministerin zu Besuch: Elisabeth Gehrer 2003 in einer Klasse des Haydn-Real-Gymnasium in Wien.

Foto: REUTERS/Herwig Prammer

Elisabeth Gehrer, Unterrichtsministerin.

Mein erster Schultag war im Herbst 1961. In Hart im Zillertal. Die Schule lag tief im Tal und man musste eine Dreiviertelstunde zu Fuß von der Zillertalbahn gehen. Ich hatte ein Zimmer dort. Ich war sehr aufgeregt. Und in meiner ersten Klasse waren 51 Kinder. Schüler der ersten und zweiten Klasse, die gemeinsam unterrichtet wurden. Manche Kinder mussten eineinhalb Stunden in die Schule gehen.

"Das neue Fräulein"

Der erste Schultag war auch für die Kinder aufregend. Schließlich war ich "das neue Fräulein", so hat man das damals genannt. Zuerst sind wir in die Kirche gegangen, dann hat die Schule begonnen. Ich glaube, die Aufregung hat sich zwischen uns die Waage gehalten, aber ich hatte von Anfang an ein sehr gutes Verhältnis zu den Kindern. Auch zu den Eltern – meist Menschen mit bäuerlichem Hintergrund.

Wichtig war, dass ich mich optimal vorbereitet hatte. Denn mit zwei unterschiedlichen Jahrgängen muss man schauen, dass ein Teil der Klasse still beschäftigt ist während man mit dem anderen arbeitet. Was mich berührt hat war, dass die Größeren den Kleineren geholfen haben. 51 Kinder in Zaum zu halten war kein Problem. Sicher: Es gab immer Schlingel, aber das war eine andere Zeit. Die Kinder waren nicht so einer Reizüberflutung wie heute ausgesetzt. Die Kinder kamen, weil das, was sie lernen konnten, spannend war. Wenn ich mich heute wieder entscheiden müsste, würde ich wieder Lehrerin werden. Ich liebe diesen Beruf – jungen Menschen etwas beigebracht zu haben, ist schön.

Josef Ziniel, Lehrer am Polytechnikum Frauenkirchen. Außerdem Bürgermeister von Frauenkirchen (Burgenland/Seewinkel; SPÖ).

Mein erster Schultag fand vor 25 Jahren in Wien statt. In der Hauptschule in der Herbststraße. Weil es damals schon schwer war, eine Stelle zu bekommen, arbeitete ich in einem Fotogeschäft, als ich knapp vor dem Semesterzeugnis angerufen wurde: Ob ich bereit wäre, alle Klassen der Hauptschule als Werkerziehungslehrer zu übernehmen.

Die Entscheidung war nicht leicht. Schließlich hatte ich Mathematik und nicht Werken gelernt – aber es war meine einzige Chance, als Lehrer einen Job zu bekommen. Ich habe dann eben zugesagt – und es hat funktioniert.

Allerdings habe ich in der ersten Schulwoche dann gleich sieben Kilo abgenommen – so einfach war das also scheinbar doch nicht. Weil man als Lehrer sowieso immer vor anderen Situationen steht – aber ganz am Anfang hat man eben überhaupt keine Routine.

Was bei mir noch dazugekommen ist war, dass ich im Burgenland ausgebildet worden bin – und in der Herbststraße war doch ein recht großer Anteil von Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache. Da gab es schon Verständnisprobleme – in beiden Richtungen. Ob ich heute wieder Lehrer werden würde? Eigentlich ja. Nur ist die Arbeitsmarktsituation heute schlimm. Heute ist die Gefahr sehr groß, dass man keine auch nur annähernd passende Stelle findet – aber die Tätigkeit selbst, das Lehrersein, das Arbeiten mit Jugendlichen, würde ich sofort wieder wählen.

Ekkehard Muther, Französisch und Deutsch am BG-Dornbirn. Karenziert, da Klubdirektor der Grünen in Vorarlberg.

Mein erster Schultag war 1980 im Bundesgymnasium Bregenz. Ich war noch keine 25 und hatte mein Studium noch nicht abgeschlossen. Damals herrschte in Vorarlberg Lehrermangel. Ich bin als Deutschlehrer in zwei Unterstufenklassen geschickt worden.

Ich bin Lehrer geworden, um es den alten, bekennenden Nazis zu zeigen. Von denen gab es zu meiner Zeit etliche. Ich bin dort ja selbst Schüler gewesen. Ich wollte zeigen, dass man anders erziehen kann. Ich saß mit Kollegen im Lehrerzimmer, die ich selbst als Schüler gehabt hatte.

In Vorarlberg wurde damals noch – trotz Verbot – geschlagen. Und der erste Tipp eines dieser Kollegen war, mir bei Problemen einen Schüler herauszufischen, zu schauen, dass uns niemand sieht und den Schüler abzuwatschen. Dass da ein Lehrer, der partnerschaftlich unterrichten will, mit Haut und Haaren gefressen würde, hätte ich wissen müssen: Die Kinder konnten damit nicht umgehen. Ich habe dann die Schule gewechselt. Und besser gewusst, wie ich mich nicht ganz plump anbiedernd präsentiere. Die Botschaft ist angekommen: Einmal hat mich die halbe Klasse nach Wien zu einer Friedensdemonstration begleitet.

Ob ich wieder Lehrer werden würde? Wenn es ums Unterreichten geht, ja. Das ist wunderschön. Aber die Rahmenbedingungen sind abschreckend: Man gibt uns ein Viertelkilo Farbe – und wir sollen das ganzes Haus streichen. Das kann nicht funktionieren.

Karin Hammer, Bildnerische Erziehung im BG Tulln.

Ich war knapp vor September 2001 nach New York gekommen – im Rahmen eines Programmes des Österreichischen Unterrichtsministeriums in Kooperation mit dem City College of New York. Wir sollten Lücken füllen. Nur: Es gab keine Stelle für Kunsterzieher. Am Abend nach dem eigentlich Schulbeginn hieß es, ich solle schnell in eine berufsbildende Schule in der South Bronx kommen. Der Art Teacher sei nicht aufgetaucht. Auf meinem Stundenplan stand dann "Englisch". Mein Englisch ist annehmbar – aber sicher nicht das eines Nativespeakers.

Was tun? Ich begann damit, den Kids zu erklären, dass ich mich freute, ihre Lehrerin sein zu dürfen. Müde und desinteressierte Augen sahen mich an.

Nach zehn Minuten schlurfte ein Zuspätkommender herein: "Bitte sei so nett und nimm deinen Hut ab, das ist Vorschrift!", sagte ich. "You fat, f***ing white bitch." sagte er – und ging.

Verschwitzt vor Angst und erleichtert, dass nun ein Fach an der Reihe war, von dem ich mehr Ahnung habe, erwartete ich in der zweiten Stunde meine "Art 1"-Klasse: Keiner hatte einen Stift. Als ich auf die Tafel schrieb, gestand ein Schüler, dass er nicht lesen könne.

Mein dritter Schultag war der 11. September 2001 – aber das ist eine andere Geschichte. Geblieben bin ich zwei Jahre in dieser Schule, die statistisch zu den gewalttätigsten New Yorks gehört. Froh bin ich trotzdem, dort gewesen zu sein. Die Erfahrungen, die ich gesammelt habe waren wie zehn Jahre Unterricht in Österreich. (Thomas Rottenberg/DER STANDARD/Album, Printausgabe, 27/28.8.2005)