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Vera Bloemer, Autorin des aktuellen Ratgebers "Patchwork-Karriere", im Gespräch mit Karin Bauer über die Herausforderungen. Standard: Klassische Karriere in Unternehmen, der dreiteilige Lebenslauf in Form von Ausbildung, Beruf und abschließender Pension, ist selten geworden. Flexibilisierung, Variabilisierung, Employability sind die neuen Schlagworte. Ist unsere Zukunft die totale funktionale und örtliche Mobilität? Bloemer: Der traditionelle Job von neun bis fünf ist für viele jetzt schon nicht mehr Realität. Ein Job für den Broterwerb und einer für die Begeisterung sind ja schon Teil der neuen Berufsbiografien. Schauen Sie sich um: Leute haben Mitte 40 schon Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Junge Akademiker können nicht von der Ausbildung in ihren Beruf wechseln, sondern müssen versuchen, sich kreativ und geschickt in den Markt einzufädeln. Die beginnen ihr Arbeitsleben schon im Patchwork. S TANDARD: Also das Ende der Beschäftigung als "livelong opportunities"? Bloemer: Es wird sie schon noch geben, es wird auch noch Unternehmen geben, die langjährige Loyalität schätzen. Für das Gros ist ein langfristiger fixer Arbeitsvertrag aber eine Illusion, die spätestens bei der nächsten Umstrukturierung zerstört wird. Das ist der Abschied vom Traum des "treusorgenden Unternehmers". S TANDARD: Das ängstigt, macht massiven Druck. Und legt die Verantwortung für das Berufsleben ganz in die Hände des Individuums. Bloemer: Ja, nicht mehr die Firma sagt, wie die Zukunft ausschaut, sondern der Einzelne ist auf sich gestellt, muss seine Karriere in die Hand nehmen. Das heißt vor allem, sich aktiv zu vermarkten und das Patchwork im Lebenslauf so zu gestalten, dass ein roter Faden entsteht. Übrigens: Es gibt auch schon genug Unternehmen, die genau solche Patchwork-Biografien suchen. S TANDARD: Und die negativen Seiten der ständigen Arbeit in Phasen - etwa Entfremdung, Verlust des sozialen Gefüges? Bloemer: Das ist natürlich ein kritischer Punkt. Es muss jeder für sich definieren, was Karriere bedeutet. Dazu gehört auch das Setzen von Grenzen. Anderseits: Wer will denn schon mit 20 wissen, wo er mit 70 steht? Die Vorstellung der vollkommenen Regelung passt gar nicht mehr in die Lebensentwürfe, das belegen ja auch die Umfragen unter dem Nachwuchs. Ideale, Ziele, Selbstverwirklichung spielen eine große Rolle. Geld und Karriere um jeden Preis ist nicht mehr angesagt. S TANDARD: Wie kann denn im Berufsleben nach dem Mosaik überhaupt noch eine Vereinbarkeit mit einer Familie funktionieren? Bloemer: Aber das ist schon Wirklichkeit, auch wenn es nicht immer so genannt wird: Paare sprechen sich über ihre Karriereschritte ab. Frauen stecken meist beruflich den Kindern zuliebe zurück, arbeiten Patchwork, machen sich später selbstständig. S TANDARD: Ihr Tipp für den künftigen Berufserfolg? Bloemer: Abschied nehmen von der Vorstellung des vollkommen geregelten Arbeitszeit-Freizeit-Lebensentwurfes. Die Initiative ergreifen, Verantwortung übernehmen. Und auch schon mal überlegen, was man mit der freiwilligen oder verordneten Auszeit etwa für die Weiterbildung oder die eigene Entfaltung anfangen möchte. ZUR PERSON: Vera Bloemer (44) ist Volkswirtin, begann ihre Karriere bei McKinsey und hat sich nach Führungstätigkeit in der Treuhandanstalt und der Deutschen Bank als Unternehmensberaterin in Frankfurt selbstständig gemacht. Ihr neues Buch "Patchwork-Karriere - Pioniere der neuen Arbeitswelt" ist im Verlag Walhalla erschienen. (Der Standard, Printausgabe 20./21.8.2005)