Wien - Nicht nur seine Stimme klingt wie ein Ruf aus der Vergangenheit. Auch die Themen, die David Eugene Edwards durch ein uraltes Mikrofon singend, klagend und winselnd verhandelt, muten archetypisch an. Es sind Chroniken aus dem amerikanischen Süden, die nichts mit kitschiger Verklärung oder verträumter Nostalgie zu tun haben.

Was der Sänger der Band Woven Hand im ausverkauften B72 am Sonntag vortrug, bezieht seine Kraft und Magie aus Geschichten, die in schäbigen Milieus angesiedelt sind. Kulturen, die sich zwischen Quacksalber und Prediger im Zweifelsfall mit der Knarre entschieden haben und die in der Literatur von Autoren wie John Steinbeck und vor allem in der ungeschönten Direktheit einer Flannery O'Connor verewigt wurden.

Der Prediger im Unterleiberl

Edwards, diesbezüglich als Enkel eines Wanderpredigers quasi mit unschlagbarer Authentizität ausgestattet, stammt aus dem US-Bundesstaat Colorado und reüssierte bereits einschlägig mit der vor Kurzem aufgelösten Band 16 Horsepower. Mit seiner schon länger parallel dazu existierenden Formation Woven Hand setzt er deren Mission nun fort. Zudem generierte der akkurat gescheitelte Feinrippunterleiberl-Träger in den letzten Jahren durch seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem belgischen Choreografen Wim Vandekeybus beim ImPulsTanz-Festival eine erweiterte Fangemeinde.

Dass die Musik von Woven Hand abseits des exzentrischen Gesangs Edwards' stark physisch wirkt, zeigte sich nicht nur in der Körpersprache des Vortragenden selbst, den der Sog der Musik stellenweise richtig aus seinem Stuhl hob und ihm eine sehr lebendige Mimik abverlangte. Die treibenden Rhythmen des Trios, die oft durch Ausblenden der Gitarre Edwards' eine verwegene Dynamik freisetzten, wirkten mindestens ebenso infizierend wie Edwards' Tonfall.

Dieser schneidende, zum Klagelaut neigende Klang hat ihm immer wieder Vergleiche mit dem von ihm verehrten Jeffrey Lee Pierce und dessen Gun Club eingebracht. Wie dieser nährt Edwards seine Musik aus dem Fundus von altem Folk, Hillbilly und dem radikalen Entschlackungsgestus des Punk.

Skelettierte Balladen

Unter diesen Voraussetzungen wurde sein Auftritt zu einer obsessiven Weihestunde, die unter höchster Konzentration zelebriert wurde. Geschickt gesetzte, skelettiert anmutende Balladen multiplizierten die Intensität der Show, die von einer uneitlen Direktheit geprägt war. Dass diese Demut vor dem Gebotenen auf der Bühne letztlich auch dem Publikum davor euphorische Ovationen entlockte, erschien nur angemessen. Ein Großer! (DER STANDARD, Printausgabe vom 16.8.2005)