Bild nicht mehr verfügbar.

Anna Boschek in jungen Jahren als Arbeiterin
Foto: Archiv
Als Gewerkschafterin immer für Benachteiligte aktiv
Foto: dabu

Anna Boschek war die erste Gewerkschafterin im Parlament. Doch was der Name der leider relativ unbekannten großartigen Persönlichkeit der Sozialdemokratie nicht wiedergibt, tut ihr Werk umso mehr: Ihr lebenslanges Engagement für die sozial Benachteiligten der Gesellschaft, für Frauen im Allgemeinen und ArbeiterInnen im Besonderen, hinterließ deutliche Spuren.

Und das nicht ohne Vorgeschichte. Denn dass die Erringung von Rechten und deren Bewahrung lebensnotwendig sein kann, hat Anna Boschek am eigenen Leib erfahren müssen, in ihren frühen Jahren und auch später besonders eindrücklich im Austrofaschismus und Nationalsozialismus.

Frühe Prägung durch Solidarität

In bescheidene Verhältnisse als drittes von acht Kindern in Wien geboren, wurde sie schon als Mädchen mit der rauen Realität des Lebens konfrontiert. Als ihr Vater, ein Eisenbahnschlosser, starb, musste die erst Zehnjährige bereits nach vier Volksschulklassen die Schule verlassen, um zum Erhalt der Familie beizutragen.

Nachdem sie gemeinsam mit ihrer Mutter in Heimarbeit für eine Tuchhäkelei tätig war, trat sie mit elf Jahren in den Dienst einer Perlenbläserei. Danach wechselte sie in eine Galvanierungswerkstätte, wo sie sich Gesicht und Hände verätzte. Es folgte die Arbeit in einer Mundharmonikafabrik, bis Anna Boschek 1891 als Spulerin in der Ottakringer Trikotfabrik begann. Über die Mühsal der Arbeit verzweifelt - das billige Garn riss leicht und zerschnitt ihr die Hände - fand sie in ihrer Kollegin Maria Krasa Unterstützung. Diese war bereits Mitglied des Arbeiterinnen-Bildungsvereins und überzeugte sie von der Dringlichkeit der Solidarität unter Arbeiterinnen.

Fabrikarbeiterin wird Gewerkschafterin

Obwohl von elfstündiger Fabriksarbeit ermattet, besuchte Anna Boschek an ihren freien Abenden den Arbeiterinnen-Bildungsverein, wurde bald darauf Mitglied und trat sowohl der Gewerkschaft als auch der Sozialdemokratischen ArbeiterInnen-Partei bei. Sie entpuppte sich als begabte Rednerin und beim ersten österreichischen Gewerkschaftskongress 1893 erwirkte sie gemeinsam mit Maria Krasa und anderen Delegierten, die Aufnahme von Arbeiterinnen in die Gewerkschaften mit denselben Rechten wie Männer. 1894 wurde sie von Anton Hueber als Angestellte in die Gewerkschaftskommission berufen, wo sie vor allem für die Organisierung der Arbeiterinnen zuständig war. Vierzig Jahre blieb Boschek in der Gewerkschaft.

Parlamentarierin für Soziales

Zwischen 1918 und 1920 war sie zudem Mitglied des Wiener Sozialdemokratischen Gemeinderates und wurde als eine von sieben Sozialdemokratinnen im Februar 1919 ins Parlament gewählt. Im sozialpolitischen Ausschuss, in dem sie meistens die einzige Frau war, setzte sie sich vor allem für den Achtstundentag, die Einschränkung der Nachtarbeit und eine adäquate Krankenversicherung ein. Bei ihrem Engagement hatten Probleme der Frauen - Boschek leitete nebenbei auch das Frauenreferat der Freien Gewerkschaften - eine hohe Priorität. Sie prangerte die Folgen des unmenschlichen Abtreibungsparagrafen 144 an und kämpfte für die Verbesserung der Gesetze für Heimarbeiterinnen, Hausgehilfinnen und Hebammen.

Nach der Ausschaltung der Demokratie wurde Anna Boschek im Februar 1934 verhaftet und nach ihrer Freilassung unter Polizeiaufsicht gestellt. Aufgrund gesundheitlicher Probleme war sie nach 1945 nicht mehr berufstätig, jedoch bis zu ihrem Tod weiterhin politisch interessiert.

Anna Boschek starb am 19. November 1957 in Wien. (dabu/dieStandard.at 08.04.2008)