Laurie Sparham
Ein bisschen ist Karl Fröschl ja auch Semantiker. Und da gehört es dazu, die Frage zu hinterfragen. Nicht bloß den Begriff "Erfindung", sondern das Prinzip: "Wenn Sie könnten, wie Sie wollten - was würden Sie dann erfinden?" lautet jene Frage, die DER STANDARD kreativen Köpfen heimischer IT-Unternehmen stellt. Oder stellen will. Denn beim wissenschaftlichen Leiter von EC 3, einem Kompetenzzentrum für E-Commerce, stößt die Frage auf eine Gegenfrage ("Will ich?") und einen fast philosophischen Exkurs.

Denn zum einen glaubt der 46-Jährige, primär im Wissenschaftsmanagement Tätige ("es geht um einen Dialog zwischen den oft antagonistischen Partnern Wirtschaft und Wissenschaft"), nicht an die Erlösung per Patent: "Gute Dinge lassen sich nicht patentieren - etwa die Relativitätstheorie. Oder der Doppelklick. Außerdem habe ich mit der Zuschreibung von Ideen zu Einzelpersonen ein Problem: Jeder Erfinder steht auf den Schultern derer, die ihn beeinflusst haben." Zum anderen stößt sich der Wirtschaftsinformatiker an der oft gegenständlichen Definition von "Erfindung": "Die gemessene Zeit war auch eine Erfindung. Es geht da oft um Ideen."

Fröschls Vorschlag: "Stellen wir die Frage anders: Wieso sind zu gewissen Zeiten bestimmte Überlegungen so prävalent?" Unausgesprochener Nachsatz: Und wieso werden manche Erfindungen und Ideen als ebensolche gar nicht wahrgenommen?

Denn manches, seufzt der Wirtschaftsinformatiker, sei längst gedacht und konzipiert - und "keinen kümmert es". Als Beispiel ("vielleicht spielt da ja auch eine Mischung aus Eitelkeit und Frust eine Rolle") nennt Fröschl da jene Forschungsarbeit, die er - als Teil eines Teams der Universität Wien - vor Jahren betrieben hat: "Es würde mir viel daran liegen, theoretische Ideen, die wir vor 15 Jahren hatten, umzusetzen." Es ging dabei um die - zunächst banal klingende - Frage der Dokumentation von Statistik. "Alle politischen Entscheidungen fußen de facto auf Statistik. Das ist eine methodische Form der Weltbeobachtung." Freilich funktioniert die nur, wenn der "Deutungskontext" klar ist: "Zahlen ohne Interpretation sagen nichts aus." Je komplexer und unüberblickbarer die Datenmengen werden und je arbeitsteiliger das Datensammeln wird, "desto besser muss der Datenkontext erklärt werden. Sonst haben wir lauter Rosettasteine - und keiner weiß, was das alles soll."

Volkstümlich formuliert: Es geht um Äpfel und Birnen. Und die grundlegende Frage: Was ist das - "ein Apfel"? Oder - um es mit Douglas Adams' "Anhalter durch die Galaxis" zu versuchen - um das, was man mit der Antwort auf die Frage aller Fragen überhaupt anfangen kann. Wenn die - wie bei Adams - "42" lautet, sollte man halt auch wissen, was man eigentlich wissen will. In der Sprache des Wissenschafters heißt das "statistics in context", also "den Informationsgehalt der Statistik an den Nutzer bringen".

Dass das zum Teil mittlerweile - und durchaus zum Nutzen der Allgemeinheit, etwa in Datenbanken der AK - auch passiert, freut Fröschl. Dennoch, betont er, sei das Thema längst nicht ausgereizt: Die Interpretation von Datenmaterial habe zum einen eine jahrhundertelange Tradition - aber eine mindestens ebenso lange Zukunft: "Wir bewegen uns da in einem Grenzbereich zwischen Formalem und Informellem. Und es geht immer auch darum, zu definieren, was geht - und was nicht mehr geht." Denn Kommunikation, setzt Fröschl fort, "ist nie absolut - manchmal reicht ein Blick, und manchmal redet man lange und kommt trotzdem nirgendwo hin." Informatik sei aber im Grunde nichts anderes als "formalisierte Kommunikation". Und er, betont der "Multidilettant" (Eigendefinition) Fröschl, schätze in der Forschung vor allem "formale Disziplinen".

Douglas Adams hat nicht nur die Frage nach dem Sinn der absoluten Antwort beantwortet, sondern auch - fast - alle Kommunikationsprobleme gelöst: Er schuf den "Babelfisch" - ein interstellares Übersetzertierchen, das im Gehörgang lebt und sich von Schallwellen ernährt. Etwas Ähnliches - zur Erklärung dessen, was man da dann hört und nur verbaliter versteht - wäre gar nicht so schlecht. (Thomas Rottenberg/DER STANDARD, Printausgabe, 01.08.2005)