Nicht alles, was "erschlichen" aussieht, ist es auch. Beispiel "Terminator 3": Die Platzierung der Mannerschnitten erfolgte auf Initiative Arnold Schwarzeneggers.

Foto: STANDARD/Cremer

Heute kann ich es ja gestehen: Ich habe schon im Jahr 1980 zum ersten Mal Product-Placement betrieben, in aller Unschuld und Ahnungslosigkeit. Es war in einem meiner ersten Fernsehfilme, der hieß "Die Feen sterben aus", war eine ORF/ HR-Koproduktion und handelte von einem kleinen Mädchen, das unter den Konflikten seiner Eltern so sehr leidet, dass es eines Tages von zu Hause abhaut. Es lässt sich in der Möbelabteilung eines Kaufhauses einschließen, kriecht spätabends aus dem Schrank, holt aus seiner Schultasche ein Packerl Mannerschnitten raus und verspeist es.

Ich hab mir nichts dabei gedacht – Kinder mögen Mannerschnitten und irgendwas muss man ja essen, wenn man von zu Hause abhaut -, die Produktion hat sich auch nichts dabei gedacht, und dem Sender war's egal. Drei Tage nach Ausstrahlung des Films bekam ich an meine Privatadresse einen großen Karton Mannerschnitten, mit schönen Grüßen und herzlichem Dank von der Firma Manner. Den hab ich an einen Pfarrkindergarten weitergeleitet (nein, drei Packerln hab ich selber gegessen).

Vaillant-Firmenauto

Meine nächste Erfahrung mit Product-Placement habe ich Ende der Achtzigerjahre in München gemacht, als ich sechs Folgen einer auch heute noch gern wiederholten volkstümlichen Serie inszenierte. Die Produktionsfirma, die es nicht mehr gibt, fädelte einen Deal mit der Firma Vaillant ein, der zur Folge hatte, dass an eines der Wohnhäuser, die als Hauptmotiv dienten, ein Vaillant-Firmenschild montiert werden musste. Außerdem stand in der Straße davor immer wieder einmal ein Vaillant-Firmenauto herum. Mir wurde vom Produzenten eine Prämie in Aussicht gestellt, wenn Vaillant recht oft – und natürlich unverfänglich – zu sehen sein würde.

Bei der Rohschnittabnahme kritisierte der Redakteur vom BR die unübersehbare Präsenz des Vaillant-Logos. Der Produktionsleiter machte unschuldige Kulleraugen und stotterte etwas von der Schwierigkeit, Außenmotive zu finden, in denen keine Firmenlogos zu sehen seien. Der Redakteur lächelte wissend und ließ es im Übrigen dabei bewenden. Die versprochene Gratifikation habe ich kassiert und mich ein bisschen – aber nicht sehr – dafür geniert.

Einfach lästig

Das dritte Mal hatte ich mit Product-Placement im Jahr 1994 zu tun, diesmal beim ORF und diesmal ganz offiziell. Es gab eine Abteilung (vielleicht gibt es sie noch, ich weiß es nicht), die die Aufgabe hatte, Drehbücher nach den Möglichkeiten für Product-Placement abzuklopfen und die entsprechenden Verträge zu schließen. Ich drehte eine Krimikomödie mit dem Titel "Lieber reich und glücklich" und sollte darin Schwedenbomben unterbringen, 37 Sekunden lang, und natürlich möglichst prominent. "Lassen Sie sich was einfallen!"

Ich ließ mir Folgendes einfallen: Eine Bankkassierin hat hinter ihrem Schalter eine Packung Schwedenbomben stehen, aus der sie sich immer wieder bedient. Ein dilettierendes Bankräuberpärchen überfällt die Bank, die Schwedenbomben rutschen mit dem Geld in die Plastiktüte, unter anderem auch, um Volumen vorzutäuschen. Zu Hause zählen die patscherten Räuber das wenige Geld und fressen aus lauter Frust alle Schwedenbomben auf. 37 Sekunden! Ich war ganz stolz auf mich und dachte angesichts des knappen Produktionsbudgets: Hurra, jetzt kann ich mir zehn Komparsen mehr leisten! Irrtum. Weder die Produktionsfirma noch der Film hatten was davon. Den Erlös vom Product-Placement streifte einzig und allein der ORF ein.

"Alle wissen es, alle betreiben es."

Geht's anders auch? Einige Fernsehfilme drehte ich in den 90er-Jahren in Hamburg, bei einer kleinen unabhängigen TV-Produktion. Der Produzent, ein aufrechter Hanseate, empfand die Idee, Product-Placement zu betreiben, als Zumutung. In der Folge bekam er keine Aufträge mehr von den Sendern und musste im Jahr 2000 zusperren ... Rückblickend würde ich heute sagen: Moralisch hätte ich keine Probleme mit Product-Placement. Ich stimme dem Kollegen zu, der in der aktuellen Debatte darüber von jeder Menge Heuchelei spricht. "Alle wissen es, alle betreiben es." Für die Arbeit als Regisseur ist es aber einfach lästig, wenn jemand mit der Stoppuhr in der Hand neben dir steht, am Set und später dann am Schneidetisch. Du weißt, dass du genau jetzt schneiden müsstest, aber nein: Wir brauchen noch drei Sekunden Schwedenbomben, oder Vaillant, oder was weiß ich. Gut, wir lassen die Szene drei Sekunden länger stehen, und der Rhythmus ist beim Teufel.

Erfüllungsgehilfen

Irgendwann beginnt man sich zu fragen, wie weit man als Regisseur noch autonom sein kann, ob man nicht längst schon zum Erfüllungsgehilfen von irgendwelchen Interessen geworden ist, die mit dem Produkt, dem Film, nicht mehr das Geringste zu tun haben. Aber diese Frage habe ich mir in anderen Zusammenhängen auch immer wieder einmal gestellt, und vermutlich nicht nur ich ... (DER STANDARD; Printausgabe, 28.7.2005)