Angers - Im größten Kinderschänderskandal der französischen Justizgeschichte sollen die Schlüsselfiguren bis zu 28 Jahre hinter Gitter. Das Gericht im westfranzösischen Angers verhängte gegen die Organisatoren und Drahtzieher des Kinderschänderrings nach einem Mammutprozess am Mittwoch langjährige Haftstrafen wegen Vergewaltigung und Kuppelei.

Allerdings blieben die neun Geschworenen und drei Berufsrichter jeweils einige Jahre unter dem geforderten Strafmaß. Die 23 bis 73 Jahre alten Beschuldigten sollen mindestens 45 Kinder sexuell missbraucht oder zur Prostitution gezwungen haben. Zum Teil ließen sich die Eltern mit Zigaretten, Alkohol oder Lebensmitteln bezahlen.

Eigene Kinder vergewaltigt

Mit am schwersten bestraft wurde Philippe V., der zu einer Haftstrafe von 28 Jahren verurteilt wurde, gefolgt von einer Sicherungsverwahrung von 18 Jahren. Er war wegen Vergewaltigung seines Sohnes Franck V. einschlägig vorbestraft. Franck V. soll für 18 Jahre hinter Gitter, seine Ex-Frau Patricia M. für 16 Jahre.

Die Verbrechen fanden in der Wohnung des Ehepaares statt. Sie wurden schuldig gesprochen, sich an ihren eigenen Töchtern vergangen zu haben. Philippe V. vergewaltigte nach Ansicht des Gerichtes seine Enkelin.

Eklat

Als Drahtzieher wurden die Brüder Eric und Jean-Marc J. zu Haftstrafen von 28 und 26 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Sie sollen andere Erwachsene in die Wohnung gebracht haben, um sich an den Kindern zu vergehen. Jean-Marc J. löste einen Eklat aus, als seine Strafe verkündet wurde. Die Urteilsverkündung wurde kurzzeitig unterbrochen, damit er aus dem Saal gebracht werden konnte.

2000 Fragen

Abgeschnitten von der Öffentlichkeit hatten die neun Geschworenen und drei Berufsrichter neun Tage lang in einer Militärhochschule über ihre Urteile beraten. Dabei mussten sie fast 2.000 Fragen zur Schuld der insgesamt 65 Angeklagten beantworten. Die Urteilsverkündung verzögerte sich am Mittwoch noch um einige Stunden, weil das Gericht die Beantwortung von zwei Fragen nachholen musste.

Drei Freisprüche

Für einen Schuldspruch waren jeweils mindestens acht der zwölf Richterstimmen erforderlich. Drei Angeklagte wurden freigesprochen, in einem Fall gab es eine Strafverschonung.

In dem fünfmonatigen Prozess waren unerträgliche Einzelheiten ausgebreitet worden. Die Staatsanwaltschaft hatte hundert einzelne Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe zwischen Jänner 1999 bis Februar 2002 dokumentiert. Die meisten Angeklagten, unter ihnen 26 Frauen, stammten aus sozial schwachen Verhältnissen und waren in ihrer Kindheit oft selbst Opfer von Missbrauch.

Angeklagte verstrickten sich in Widersprüche

Die Vernehmungen brachten nur teilweise Licht in die von Alkoholexzessen und Gewalt gezeichnete Welt der Beschuldigten: Zeugen und Angeklagte verstrickten sich in Widersprüche und Lügen, denunzierten sich gegenseitig, viele verweigerten die Aussage. Einige waren nicht in der Lage, an sie gerichtete Fragen zu verstehen.(APA)