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Foto: Archiv
Hockenheim - In der blank polierten und sterilen Hightechwelt des Paddocks, wo wichtige Menschen einen guten Teil des Tages damit verbringen, vor Bildschirmen zu hocken und Datenhaufen zu analysieren, spielt ein simples Stück Mechanik eine große Attraktion und konterkariert gleichzeitig den ganzen Zirkus auf charmante Weise: der Wuzler. Er wohnt auf der Terrasse im zweiten Stock des Motorhomes des Red-Bull-Teams, in der so genannten Energy-Station, die in ihrer Dreistöckigkeit alles überragt in dieser exterritorialen Wagenburg.

Das Geschenk der Kicker

Schuld daran sind die Salzburger Kicker. Man wollte ihnen quasi ein Stück Heimat bieten, als sie im Verein Formel-1-schauen kamen, sich am 3. Juli den Grand Prix von Frankreich in Magny Cours gaben, und stellte ihnen diesen Fußballtisch hin. Rasch machte die Kunde vom Wuzler die Runde, auch Mitglieder anderer Teams kamen zum Kicken auf den Tisch, zu dem man in Deutschlands Norden übrigens Krökeln sagt. Und was als einmalige Aktion gedacht war, ist nun zur ständigen Einrichtung geworden, der Wuzler rast fortan mit der Formel 1 durch die Welt.

Der Wuzler und das Auto jedoch haben insofern etwas gemein, als man seine, des Wuzlers Erfindung, dem Franzosen Lucien Rosengarten zuschreibt. Der Mann war bei Citroën beschäftigt und soll das Gerät in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts entwickelt haben. Eine andere Geschichte erzählt davon, dass man während des Kriegs verletzte Soldaten zum Wuzler kommandierte, um deren Hand-Augen-Koordination zu verbessern, womit schon wieder ein Kreis geschlossen wäre, denn die Hand-Augen-Koordination spielt ja auch beim zügigen Befahren von Rennstrecken eine wesentliche Rolle.

Der Kniefall

Christian Klien kommt schon ganz gut zurecht mit dem Ding, doch gegen seinen Kollegen Vitantonio Liuzzi hat er keinen Auftrag. "Der hat", sagt Klien schelmisch, "auch viel mehr Zeit zum Üben." Vitantonio, derzeit Freitagstrainierer bei Red Bull, pflegt einen besonders aggressiven Stil bei der Arbeit am Tisch, schlägt dann und wann auch über die Strenge, wenn er seine Maxln rotieren lässt. Dabei ist die Drehung über 360 Grad hinaus regelwidrig. Schon ist es prinzipiell erlaubt, seinem Chef ein Tor zu schießen, als aber Liuzzi Teambesitzer Dietrich Mateschitz die Kugel in den Kasten setzte, fiel er augenblicklich auf die Knie und bat flehend um Entschuldigung. Schließlich hat der Boss das letzte Wort, wenn es um seine Piloten geht, seine Entscheidung trifft er freilich auf Grundlage der Fakten, die ihm Teamchef Christian Horner liefert.

Nur der Schotte David Coulthard (Klien: "Den habe ich noch nie am Wuzler gesehen") hat seinen Platz im kommenden Jahr sicher, Liuzzi und Klien, sehr gut miteinander befreundet, rittern um das zweite Cockpit. Heuer wechselten einander die beiden bisher ab, sie wissen, dass in Budapest Klien an die Reihe kommen wird, mehr wissen sie noch nicht. (Benno Zelsacher, DER STANDARD Printausgabe 25.07.2005)